Polizeianhaltezentrum Hernals: Umgang mit Gefangenen in Gummizellen und Schließzeiten als Zankapfel zwischen Volksanwaltschaft und Innenministerium.

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Psychiater Ernst Berger leitet die Kommission.

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Wien – Der Anblick, der sich der Kommission vier der Volksanwaltschaft bei einem unangemeldeten Besuch im Wiener Polizeianhaltezentrum (Paz) am Hernalser Gürtel im Herbst 2016 in einer Gummizelle bot, ließ bei den Experten die Alarmglocken klingeln. In dem besonders gesicherten Haftraum saß ein an Händen und Füßen gefesselter Mann. Dem Vernehmen nach hatte er keine Kleider an – und dürfte in diesem Zustand schon längere Zeit an dem Ort verbracht haben.

Der Mann, ein Schubhäftling, stand aufgrund von Aussagen eines Mitgefangenen unter Islamismusverdacht; dieser wurde in der Folge durch staatsanwaltliche Ermittlungen entkräftet. Im Zuge der Amtshandlung wegen dieses Verdachts hatte er im Polizeianhaltezentrum einen Polizisten leicht verletzt.

Zur Eskalation tendierend

"Die Kommission hat den Eindruck gewonnen, dass Krisensituationen (z. B. die Verletzung von Beamten), die mit bestimmten Verdachtsmomenten (z. B. Islamismusverdacht, anfangs vage, später widerlegt) verknüpft werden, leicht zur Eskalation tendieren", steht dazu im "Bericht der Kommissionen". Dieser ist Teil des am Mittwoch veröffentlichten Jahresreports 2016 der Volksanwaltschaft über präventive Menschenrechtskontrollen in Haft- und Pflegeanstalten sowie anderen freiheitseinschränkenden Orten.

Zum Umgang mit Insassen der besonders gesicherten Zellen im Paz Hernals kommt der Kommissionsbericht zu einem Negativurteil: "Die wenig professionelle Handhabung dieser (eskalierter, Anm.) Situationen führt dazu, dass menschenrechtliche Aspekte völlig bedeutungslos werden." Und zwar durch lange Aufenthaltsdauer "in mehreren Fällen" sowie durch "menschenrechtlich bedenkliche Bewegungseinschränkungen (Fesselungen)".

Ministerielle Stellungnahmen

Den allgemeinen Schilderungen im Bericht fügte der Leiter von Kommission vier, der Psychiater Ernst Berger, im Standard-Gespräch einige Details bei. Das Innenministerium habe der Volksanwaltschaft Stellungnahmen zu dem Vorfall geschickt, sagt er. Das bestätigt dort ein Sprecher. Aber: "Aus Respekt vor der Volksanwaltschaft findet grundsätzlich keine Vorab-Veröffentlichung dieser Stellungnahmen seitens des Ministeriums statt."

Kritik an den menschenrechtlichen Standards in Polizeianhaltezentren hatte am Mittwoch auch Volksanwalt Peter Fichtenbauer geübt. Die Vereinbarungen einer 2014 ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Lage seien in der Praxis nicht angekommen, sagte er. Dieser Frust hänge unter anderem mit dem Umstand zusammen, dass ein 2015 in Kraft getretener Erlass, laut dem die Zellentüren von acht bis 21 Uhr offen gehalten werden sollten, im Paz Hernals wieder außer Kraft gesetzt worden sei, erläutert Berger. Laut Volksanwaltschaftsbericht soll nun der Erlass präzisiert werden. (Irene Brickner, 5.5.2017)