Marine Le Pen hat nicht in allem unrecht. Manche Probleme beschreibt die Spitzenkandidatin des rechtsextremen Front National zutreffend, auch wenn das keineswegs bedeutet, dass ihre Konzepte Teil einer sinnvollen Lösung sind. So ist es etwa bei Le Pens Argumentation zum Euro. Sie hat im Präsidentschaftswahlkampf wieder und wieder gesagt, dass Unternehmen aus Frankreich und südeuropäischen Ländern durch den Euro stark an Wettbewerbsfähigkeit verloren hätten, während Deutschland der große Gewinner sei.

EU-Politiker, Journalisten und Ökonomen tun diese Argumentation oft als nationalistisches Gerede ab, das obendrein brandgefährlich sei. Wer wie Le Pen den Euro sprengen wolle, gefährde die wirtschaftliche Stabilität, vernichte Jobs und Sparguthaben.

Doch mit solchen Horrorszenarien lässt sich keine ernsthafte Debatte führen, und das ist schade. Denn es ist an der Zeit, über den Euro undogmatisch zu sprechen. Solange die Währungspolitik in den Händen der Nationalbanken lag, werteten Länder bei wirtschaftlichen Problemen ihre Währung ab. Dadurch wurden Exporte im Ausland billiger. Zugleich verteuerten sich Importe. Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz ließen sich so ausgleichen.

Weichwährungsländer wie Italien, Griechenland, Zypern und Spanien nutzten Abwertungen regelmäßig, um ihre Wirtschaft zu stützen. Der französische Franc war keine Weichwährung, doch im Verhältnis zur D-Mark ließ auch die Notenbank in Paris immer wieder leichte Abwertungen zu. Dieser Weg ist den Eurostaaten heute versperrt.

Das belastet mehrere Länder. Seit 2000 verlor die Industrie in Südeuropa Anteile am Weltmarkt. In Italien, Portugal, Griechenland schrumpfte der Industrieanteil an der Wirtschaftsleistung drastisch, in Frankreich spürbar. Das Grundproblem: Diese Länder produzieren im Vergleich zu deutschen Konkurrenten zu teuer.

Liberale Ökonomen wenden ein, schwächelnde Staaten brauchten deshalb eine Kur nach deutschem Vorbild. Ziel müsste sein, mittels Lohnzurückhaltung wie bei Hartz IV und mit Reformen wettbewerbsfähiger zu werden. Doch es gibt gute Argumente dagegen. Europa erholt sich soeben von der schwersten Wirtschaftskrise seit 1945. Nun Lohnzurückhaltung zu verordnen würde den Konsum abwürgen, eine neue Krise entstehen lassen.

Eine Rückkehr zur eigenen Währung inklusive Abwertung hingegen wäre der einfachste Weg für Frankreich, Italien und Co, rasch Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Allerdings wären Verwerfungen im Bankensektor die Folge, ebenso Kapitalverkehrskontrollen. Müssten Länder ihre Euro-Schulden in Lira und Franc abbezahlen, wären Staatspleiten unvermeidlich. Le Pen hat für diese Probleme nicht im Ansatz vernünftige Lösungsvorschläge. Es spricht viel dafür, nach einer Abwägung zu sagen: Statt Euroaustritten sollte man andere Möglichkeiten finden, um geschwächten Ländern aufzuhelfen. Öffentliche Investitionen und Maßnahmen zur Reindustrialisierung im Süden wären Ansätze. Deutschland müsste investieren, um Importe aus anderen EU-Ländern anzukurbeln.

Bisher geschieht das nicht ausreichend. Und die Moderaten überlassen es Le Pen, über die Fehler des Euro und die damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit in den Südländern und in Frankreich zu reden. Damit entsteht der Eindruck, nur sie würde heikle Probleme ansprechen. Das ist fatal. (András Szigetvari, 4.5.2017)