Geht es nach Michael Schickhofer, dann könnte der neue Generallandtag Regelungen gegen den Willen einzelner Länder beschließen.

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Wien – Die Steiermark ist von Wien nur eine Autostunde entfernt, doch manchmal fühlt sich die Fahrt dorthin wie eine Reise in eine andere Welt an. Dies habe etwa eine junge Frau erfahren, die sich in der Bundeshauptstadt zur Kinderbetreuerin ausbilden ließ, erzählt Michael Schickhofer. Arbeiten wollte diese in Spital am Semmering, doch leider: Die Ausbildung sei, weil anderes Bundesland, nicht anerkannt worden.

Für Schickhofer, SPÖ-Chef und Vizelandeshauptmann der Steiermark, ist dieses Beispiel nur eines für bürokratischen Unsinn, "der den Leuten auf den Wecker geht". Die neun Bundesländer produzierten kiloweise Gesetze, doch ihm sei noch kein Thema untergekommen, für das es unbedingt neun verschiedenen Regelungen geben müsse – ganz im Gegenteil. Für ungerecht hält er, dass Pfleger in jedem Bundesland anders bezahlt werden, für wirtschaftsfeindlich, wenn sich Unternehmer mit neun verschiedenen Bauordnungen herumschlagen müssen: So beträgt der Mindestabstand zwischen Gebäude und Grundstücksgrenze in der Steiermark zwei Meter plus einen Meter für jedes Geschoß, in Niederösterreich drei Meter, in Kärnten wird er durch Schattenpunkte berechnet.

Nur mehr 300 statt 3.000 Gesetze

Schickhofers simple Formel: Statt gezählter 3.000 Landesgesetze reichten 300 aus. Wie dieses Ziel zu erreichen sei, hat er bereits im Februar im STANDARD skizziert. Der derzeit weitgehend machtlose Bundesrat soll zum Generallandtag aufgewertet werden, um künftig einheitlich zu beschließen, was bisher neunfach geregelt wurde.

Damit eine Mehrheit dort nicht einfach über gegenteilige Interessen drüberfahren könne, solle es gewisse Minderheitenrechte geben, erläutert der von Schickhofer beigezogene Grazer Rechtsprofessor Bernd Wieser. Doch dieses Veto dürfe nicht so weit gehen, dass einzelne Länder blockieren können. So wäre es mit dem ins Auge gefassten Modell nicht möglich, dass eine bundesweit einheitliche Regelung der Mindestsicherung – wie im Vorjahr geschehen – am Einspruch von zwei Landesregierungen scheitert.

"Das Modell muss aber von allen gewollt werden", sagt Karl Stöger, ebenfalls Jurist von der Uni Graz. Soll heißen: Erst müssen zwei Drittel der Abgeordneten in Nationalrat und Bundesrat zustimmen und dann auch noch eine Mehrheit in einer Volksabstimmung. Wie in einer Republik, in der schon so viele Föderalismusreformen gescheitert sind, da die Chancen stehen? Schickhofer bemüht sich, potenzielle Ängste in den Ländern präventiv zu besänftigen. Nein, er wolle die Landtage keinesfalls abschaffen, beteuert der Sozialdemokrat: Diese sollten nicht nur Aufgaben wie die Regionalförderung behalten, sondern auch Kontrollkompetenzen dazubekommen.

Föderalismus-Fans kontern

Widerspruch setzte dennoch ein: Günther Platter, Tirols Landeshauptmann und derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, meldet "gebotene Skepsis" an. Eine Abschaffung des "gelebten Föderalismus durch die Hintertür" sei nicht akzeptabel.

Deutlich fällt das Nein des Vorarlberger Landeshauptmanns Markus Wallner, ebenfalls ÖVP, aus: Der Plan aus der Steiermark mache die Landtage bedeutungslos, ohne Gesetzgebung hätten die Länder keine Gestaltungsmöglichkeit mehr. Es stelle sich auch die Frage, wer dann die Budgets der Länder beschließen werde. "Wir werden die Finanzhoheit Vorarlbergs sicher nicht abgeben", sagt Wallner. "Wir fordern das Gegenteil. Wir wollen mehr Kompetenzen für die Länder und nicht umgekehrt."

Auch das in Innsbruck beheimatete Institut für Föderalismus ist dagegen: Es sei gerade der Sinn der Landesgesetzgebung, unterschiedliche Regelungen zu treffen, weil man in den Ländern näher am Bürger und an der Sache sei. (Gerald John, 5.5.2017)

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