Türkische Demonstranten nach dem Putschversuch im Sommer. Präsident Tayyip Erdoğan verspricht seinen Anhängern im Ausland (hier: Washington) seit Monaten, ein Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe in seinem Land abzuhalten. In Österreich und Deutschland soll es aber nicht stattfinden dürfen.

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Außenminister Sebastian Kurz möchte nicht, dass in Österreich über die Erdoğan-Pläne zur Todesstrafe abgestimmt wird.

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Wien – Sollte die Türkei tatsächlich ein Referendum zur Wiedereinführung der Todesstrafe abhalten, möchte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) die Abhaltung in Österreich untersagen. Das erklärte das Büro des Ministers am Freitag auf STANDARD-Anfrage.

Das Ministerium beruft sich dabei auf eine Expertise seines Völkerrechtsbüros. Demnach räume das Völkerrecht einem Staat die "Möglichkeit ein, aufgrund seiner territorialen Souveränität die Durchführung eines ausländischen Referendums auf seinem Staatsgebiet zu untersagen", wie es heißt. "Die geplante Einführung der Todesstrafe wäre jedenfalls ein berechtigter Grund für einen solchen Schritt", so das Kurz-Büro.

Todesstrafe 2004 abgeschafft

Sobald die Türkei offiziell entscheidet, die im Jahr 2004 abgeschaffte Todesstrafe wieder einführen zu wollen, wolle man in Österreich einen Beschluss der Regierung zur Unterbindung herbeiführen. In weiterer Folge würde das Außenministerium in einer Verbalnote der Türkei mitteilen, "dass der Gaststaat Österreich das Referendum auf seinem Staatsgebiet untersagt", erklärt ein Kurz-Sprecher. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ergänzte: "Als Rechtsstaat könnten wir solche Bestrebungen nicht einfach achselzuckend zur Kenntnis nehmen."

In der Regierung herrscht in der Frage Einigkeit. Auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) betonte auf STANDARD-Anfrage: "Sollte Präsident Erdoğan allen Ernstes vorhaben, ein Referendum über die Einführung der Todesstrafe abzuhalten, werden wir nicht zulassen, dass in Österreich eine solche Abstimmung durchgeführt wird." Die Todesstrafe widerspreche "zutiefst unseren Grundwerten und unserer Verfassung, sowohl in Österreich als auch in der EU". Kern: "Wir haben alle rechtlichen Möglichkeiten, die Abhaltung einer solchen Abstimmung an den türkischen Konsulaten zu untersagen. Eine Abstimmung über die Todesstrafe würde wohl die letzten Zögerer überzeugen, dass die Beitrittsgespräche mit der Türkei keine Zukunft haben."

Ähnlich äußerte sich SP-Klubchef Andreas Schieder. Für ihn besteht sogar eine "völkerrechtliche Verpflichtung", die Abstimmung zu unterbinden.

Gutachten spricht klare Sprache

Dabei beruft er sich auf ein Gutachten des deutschen Bundestags. Darin heißt es tatsächlich, dass das "Entscheidungsermessen der Bundesregierung" an rechtliche Grenzen stoßen könnte, "wenn die Genehmigung eines Referendums in Rede steht, in dem über Fragen abgestimmt werden soll, welche die unverbrüchlichen verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Rechtsstandards und Werte zur Disposition stellen". Im Fall eines Referendums über die Einführung der Todesstrafe "ließe sich über eine Versagungspflicht der Bundesregierung" diskutieren, heißt es in dem Papier.

Auch Deutschland will Votum untersagen

Folglich soll auch in Deutschland ein Votum nicht stattfinden dürfen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitagmittag, es sei "politisch nicht vorstellbar, dass wir einer solchen Abstimmung in Deutschland über eine Maßnahme, die unserem Grundgesetz und europäischen Werte klar widerspricht, zustimmen würden".

Stunden zuvor hatte sich der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz ebenfalls dafür ausgesprochen, die Beteiligung an dem Referendum zu untersagen. "Wir können nicht in Deutschland über ein Instrument abstimmen lassen, das unseren Werten und unserer Verfassung widerspricht", erklärte er im "Spiegel".

Durchsetzbarkeit schwierig

Bei der Durchsetzung eines Verbots wären Österreich und Deutschland allerdings auf die Türkei angewiesen. Im deutschen Gutachten heißt es dazu: "Würde in einer Auslandsvertretung ohne Zustimmung des Empfangsstaates eine Wahl durchgeführt, ließe sich diese indes nicht ohne weiteres unterbinden."

Zwar wird darauf verwiesen, dass das Wiener Konsularübereinkommen eine "Nutzung von Gesandtschaftsräumen für andere als diplomatische beziehungsweise konsularische Zwecke grundsätzlich untersagt", gleichzeitig würde aber eine Verletzung dieser Bestimmung "wohl kaum eine Durchbrechung des Prinzips der Unverletzlichkeit diplomatischer oder konsularischer Räumlichkeiten" rechtfertigen, heißt es. Mit anderen Worten: Die Gastländer dürften nicht in türkische Konsulate eindringen, um die Abhaltung einer Abstimmung zu verhindern.

Polizei machtlos

Auch Verfassungsrechtler Theo Öhlinger hegt im STANDARD-Gespräch Zweifel, dass man die Teilnahme an dem Referendum auf hiesigem Boden verbieten kann, denn: "Die Polizei darf die Botschaften nicht betreten und Bürgern nicht den Zutritt verwehren." Wenn im Gebäudeinneren dann eine Wahlurne aufgestellt sei, kann sich der Experte "nicht vorstellen, wie man eine Stimmabgabe verhindern" soll. Wohl aber sei es möglich, vor und bei den Botschaften gegen das Referendum zu protestieren – weil die Abhaltung als "unfreundlicher Akt" gegen die Republik gewertet werden kann.

Ähnlich argumentiert Völkerrechtler Manfred Nowak auf STANDARD-Anfrage: Die Teilnahme türkischer Bürger an einer solchen Abstimmung in Botschaften und Konsulaten falle unter "die türkische Souveränität. Ich sehe daher keine Möglichkeit, wie der österreichische Staat das untersagen kann."

Bruch des Völkerrechts

Dennoch betont man im Kurz-Büro: "Die Regeln des Völkerrechts sind klar. Sollte sich die Türkei nicht daran halten, wäre das ein Bruch des Völkerrechts."

Wie berichtet hatte der türkische Präsident Tayyip Erdoğan nach dem umstrittenen Volksentscheid über die Stärkung seiner Macht mehrfach betont, eine Abstimmung über die Todesstrafe abhalten zu wollen. Für die EU-Kommission wäre das "nicht nur eine rote Linie, sondern die röteste aller roten Linien", wie ein Sprecher Mitte April erklärte.

In Österreich hatten sich vergangene Woche bereits die Neos dafür ausgesprochen, Maßnahmen gegen eine Abstimmung in Österreich zu ergreifen. Damals wurde ihr im Nationalrat eingebrachter Antrag allerdings von den Regierungsparteien noch abgelehnt. (Günther Oswald, Nina Weißensteiner, 5.5.2017)