Es muss schnell gehen. So wie der eilige Geist durch den Alltag rast, stellt sich zwangsläufig die Frage, wozu der Mensch fähig ist. Im Marathon sind die zwei Stunden eine Schallmauer. Die hat der Kenianer Eliud Kipchoge am Samstag in aller Herrgottsfrüh auf der Formel-1-Rennstrecke in Monza nicht durchbrochen. Er ist ihr bis auf 26 Sekunden nahegerückt und war zwei Minuten und 34 Sekunden schneller als der offizielle Weltrekord des Leichtathletik-Weltverbands (IAAF). Das ist eine unglaubliche individuelle Leistung. Die aber auch das große Problem des Sports verdeutlicht: Es wird ausgereizt, was noch erlaubt, oder eben auch nicht mehr erlaubt ist.

Der Laborversuch unter freiem Himmel galt einer künstlichen Leistungssteigerung, raue Wettkampfbedingungen wurden eliminiert: Also keine Steigungen, fast keine Kurven, Windstille, ein Auto mit einer großen Zeitanzeige, in dessen Windschatten sich die zig Tempomacher und Kipchoge bewegten. Darum wird die Zeit auch nicht als Weltrekord anerkannt. Das dürfte nicht weiter stören, denn das von Kipchoge und seinen Pacemakern getragene innovative Schuhmodell wird sich wohl alsbald im Handel auch so bestens verkaufen.

Es ist eine Ironie, dass dieser Tage der europäische Leichtathletik-Verband seine alten Rekordlisten entsorgen will, um künftig Athleten nicht mehr an dopingverdächtigen Bestmarken zu messen. Ein gesünderer Leistungssportgedanke soll die Jagd nach Bestzeiten in den Hintergrund drängen. Ein Formel-1-Marathon-Rennen führt derartige Bemühungen ad absurdum. Stattdessen sollten die Verantwortlichen der Leichtathletik sich lieber darum bemühen, ihre großen Meetings, wie zuletzt das Golden League in Doha, besser zu promoten. So zerbricht sie an ihren eigenen Schallmauern. (Florian Vetter, 7.5.2017)