Die Dynamik, die Emmanuel Macron als Wirtschaftsminister (Archivbild von 2015) an den tag legte, soll auch dessen Amtszeit als Präsident prägen.

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Auch wenn Frankreich einen Mann der Mitte gewählt hat: Die wirtschaftspolitische Debatte zwischen rechts und links wird in Frankreich weiterhin sehr ideologisch, ja emotionell geführt. Liberale Stimmen wie der Thinktank Iref oder die Newsplattform Contrepoints schimpfen Macron einen "Sozialisten alter Schule", der die erfolglose Politik François Hollandes fortsetzen wolle. Der bekannte Linksaktivist François Ruffin bezeichnet ihn hingegen als "Ultraliberalen", der deswegen in Frankreich schon jetzt "verhasst" sei.

Bei nüchterner Betrachtung bedient sich Macron auf allen Seiten. Er will die Wirtschaftsabläufe lockern und "zugleich" (sein Lieblingswort) den Sozialschutz verstärken; auch will er die EU-Defizitregeln einhalten – dies vor allem, um die öffentlichen Investitionen ankurbeln zu können.

Körperschaftsteuer von 33,3 auf 25 Prozent senken

Konkret hat Macron vor, die Körperschaftsteuer von 33,3 auf 25 Prozent zu senken; die Vermögensteuer will er auf eine "Immobiliensteuer" reduzieren, damit die Wohlhabenden ihr Geld in die chronisch unterkapitalisierte Wirtschaft Frankreichs stecken.

Noch umstrittener ist auf der Linken Macrons Absicht, das Arbeitsrecht zu modernisieren. Eine erste, weniger weitgehende Reform hatte vor einem Jahr massive Proteste ausgelöst und Hollandes Amtszeit überschattet. Um solche Blockaden zu vermeiden, will Macron mit Verordnungen vorgehen, also ohne Parlamentsabstimmung. Militante Sektionen einzelner Gewerkschaften haben aber am Montag bereits eine erste Kundgebung in Paris organisiert, obwohl der genaue Inhalt der Reform noch nicht bekannt ist.

Heißes Eisen Arbeitszeit

Kernpunkt wird vermutlich die Möglichkeit für Firmen und Branchen sein, die 35-Stunden-Woche zu umgehen. Nötig wären Absprachen der Sozialpartner oder betriebsinterne Abstimmungen. Ein weiteres heißes Eisen – auf das Hollande verzichtet hatte – ist die Deckelung von Abgangsentschädigungen entlassener Arbeitnehmer. Arbeitslose sollen zudem nur noch zwei Jobangebote zurückweisen können.

Neben diesen liberalen Maßnahmen will Macron aber auch eine staatliche Arbeitslosenversicherung schaffen (heute sind die Sozialpartner zuständig). Ihm schwebt ein dänisches System der "Flexicurity" vor, das einen liberalisierten Arbeitsmarkt mit besserem Sozialschutz zu kombinieren versucht. Das Rentenalter will Macron bei 62 Jahren belassen, und die 35-Stunden-Woche hebt er nicht grundsätzlich auf.

Eine Konzession an die Linke ist Macrons Forderung, einzelne Freihandelsverträge wie Ceta neu auszuhandeln. Auf europäischer Ebene schlägt Macron weitgehende Harmonisierungen vor. Bei öffentlichen Aufträgen soll der "Buy European Act" gelten, das heißt Vorrang für europäische Firmen. Die sozialen Mindeststandards sollen vereinheitlicht werden, um das in Frankreich heftig kritisierte Sozialdumping durch "entsandte Arbeiter" zu verhindern.

Milliarden in Innovationsbranchen

Für die Eurozone will der neue Élysée-Hausherr den Posten eines Finanzministers schaffen, der von einem Parlament sekundiert und über ein eigenes Budget verfügen würde. Dieser Haushalt soll Dutzende von Milliarden in Innovationsbranchen investieren.

Macron weiß, dass er damit in Berlin auf Ablehnung stößt. Als Kompensation will er sich deshalb verpflichten, die Drei-Prozent-Schwelle beim nationalen Haushalt schon ab Ende 2017 einzuhalten.

Mit diesem Versprechen will Macron allerdings nicht nur die deutsche Regierung besänftigen. Er erhofft sich, dadurch eine Ausnahmebestimmung des Stabilitätspaktes anrufen zu können, die bei der Defiziteinhaltung eine "außerordentliche Ausgabe" erlaubt. Macron will nicht nur in der Europäischen Union, sondern vor allem auch in Frankreich das lahmende Wirtschaftswachstum ankurbeln.

Staatsausgaben massiv reduzieren

Dazu plant er neue Investitionen von 48 Milliarden Euro. Diese Ausgaben sind nur möglich, wenn Frankreich seine Staatsausgaben massiv reduziert. Macron plant den Abbau von 120.000 Beamtenstellen, um den Staatsanteil von heute 56 Prozent am Bruttoinlandprodukt auf – immer noch hohe – 52 Prozent zu senken.

Ob Macron mit seinem Programm mehr Erfolg haben wird als seine Vorgänger Hollande und Nicolas Sarkozy, wird sich weisen. Tatsache ist, dass die Arbeitslosigkeit während der auslaufenden Amtszeit um 580.000 Erwerblose zugenommen hat, während sie in Deutschland und England gesunken ist. Das Millionenheer der Joblosen nährt seit Jahren den Vormarsch der Populistin Le Pen. (Stefan Brändle aus Paris, 9.5.2017)