Wien – Der Presserat hat sich in einer Beschwerde wegen unverpixelter Bilder von mutmaßlichen Vergewaltigern gegen die Einleitung eines Verfahrens entschieden. In der Frage, ob Täterfotos veröffentlicht werden dürfen, gelte es, den Einzelfall zu prüfen, wurde am Dienstag betont. Der vorliegende Fall war als "sehr schwerwiegende Straftat" von "entsprechend großem öffentlichen Interesse".

Ein Leser hatte sich an den Presserat gewendet und sich über eine Slideshow auf oe24.at beschwert. Auf den Fotos waren sechs von sieben Männern, die eine 28-jährige Frau zu Silvester in Wien vergewaltigt haben sollen, unverpixelt zu sehen. Zwar sei auch die Privatsphäre von Angeklagten "prinzipiell schutzwürdig", so der Senat 1 in einer Presseaussendung. Täter öffentlich zu identifizieren, könnte zu einer "aus medienethischer Sicht problematischen zusätzlichen Prangerwirkung führen".

Prüfung im Einzelfall

Allerdings heißt das nach Ansicht des Senats nicht, dass Medien Bilder von mutmaßlichen Tätern keinesfalls veröffentlichen dürfen. Man müsse im Einzelfall prüfen, "ob ein Bericht, aus dem die Identität des Angeklagten hervorgeht, gerechtfertigt ist". Eine wichtige Rolle spiele dabei die Frage, "wie schwerwiegend die Straftat ist". Bei der "erniedrigenden Gruppenvergewaltigung einer Frau" habe es sich um eine "außergewöhnliche und sehr schwerwiegende Straftat" gehandelt, die Angeklagten wurden – nicht rechtskräftig – in erster Instanz zu hohen Haftstrafen zwischen neun und 13 Jahren verurteilt.

Außerdem sollen die Angeklagten selbst laut dem Bericht während der Tat "Selfies" von sich gemacht haben. Vor Gericht schließlich hätten sie keinerlei Reue gezeigt, nur einer sei geständig gewesen. "Im Prozess stellte sich sogar heraus, dass die mutmaßlichen Täter die Ansicht vertreten, ihr Opfer sei selbst an der Vergewaltigung Schuld", so der Presserat. "Auch diese Umstände mindern nach Meinung des Senats die Schutzwürdigkeit der Angeklagten gegenüber den Medien."

Keine Verletzung des Identitätsschutzes

Der Senat kam daher zu dem Urteil, dass die Slideshow zwar "plakativ" gewesen sei, aber keine Verletzung des Identitätsschutzes. Auch ein Eingriff in die Unschuldsvermutung lag demnach nicht vor: "Im Artikel wurde lediglich das Prozessgeschehen geschildert und es wurde auch darauf hingewiesen, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist."

Der gleiche Fall hat unlängst das Landesgericht Wien in einem medienrechtlichen Verfahren beschäftigt: Das Opfer erhielt 8.000 Euro Entschädigung zugesprochen, weil die "Kronen Zeitung" in einem Vorbericht zum Prozess identifizierend über die junge Frau berichtet hatte. (APA, 9.5.2017)