Hadersdorf/Wien –Die niederösterreichische Gemeinde Hadersdorf am Kamp sorgte in der jüngsten Vergangenheit öfters für unrühmliche Schlagzeilen, immer ging es ums selbe Thema: den Umgang mit der Ortsgeschichte.

Gefangene, nicht "politisch"

Vorfahren der Gemeindebewohner verrieten im April 1945 eine Gruppe von Widerstandskämpfern, die kurz zuvor aus dem Gefangenenhaus Stein entlassen worden war und sich zu Fuß auf den Weg nach Wien gemacht hatte, an die SS. 61 politische Häftlinge wurden in Hadersdorf, kurz vor der Befreiung durch die Rote Armee, erschossen. Es hatte Jahrzehnte gedauert, bis die Gemeindepolitik bereit war, der Errichtung eines Mahnmals zuzustimmen. Das Ergebnis: eine Gedenktafel am Hadersdorfer Friedhof, wobei aus dem Gedenktext für die politischen Gefangenen das Wort "politisch" gestrichen wurde – sehr zum Ärger der Nachkommen der Ermordeten.

Eine dieser Nachkommen, die Wienerin Christine P., musste am Montag vor der Polizei aussagen. Der Hintergrund: Die KZ-Verbände Wien und Niederösterreich, die Jahr für Jahr zur Gedenkveranstaltung nach Hadersdorf laden, haben wie schon öfters den Text der Gedenktafel mit Filzstift ergänzt, weil sie die derzeitige Fassung als "unwürdig" betrachten. Aus den "Gefangenen" wurden "politische Gefangene", zudem wurde der Text um die Worte "Nie wieder Faschismus" ergänzt.

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Dies führte nun zu einer Anzeige gegen unbekannt wegen Sachbeschädigung, zu der P. als Zeugin befragt wurde.

Der Vater der 76-Jährigen, der Wiener Alois Westermeier, war im August 1942 von einem Arbeitskollegen denunziert worden, nachdem er mit Bleistift "Es lebe die Internationale" auf die Wand der Firmentoilette geschrieben hatte. Er wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er war 32 Jahre alt, als er erschossen wurde.

Mehrere Mitglieder der KZ-Verbände und die Wiener Grünen-Gemeinderätin Birgit Hebein erstatteten am Dienstag Selbstanzeige in der Causa. Es handle sich um eine gewaltfreie Aktion und einen "Ausdruck einer langjährigen Forderung", die Tafel zu ergänzen und durch weitere Tafeln, auf welchen die Namen aller Ermordeten zu lesen sind, zu ergänzen. Diese Namenstafeln, so die Verbände, habe man bereits durch Spenden finanziert. (sterk, 9.5.2017)