Fotografieren lässt sich Peter Savic äußerst ungern, und wenn, dann nur in seinem speziellen Look.

Foto: Peter Savic, beigestellt

"Vogue", "Interview", "Harper's Bazaar": Es gibt wenige internationale Modetitel, mit denen Peter Savic nicht gearbeitet hat. Viele der Stars, die er für Editorials stylt, buchen ihn auch privat. Weltruhm erlangte Savic, als er das Äußere von Madonna immer wieder veränderte.

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Als Peter Savic 1983 von Wien nach Los Angeles übersiedelte, sprach er kein Wort Englisch. Inzwischen lebt er seit 36 Jahren in der Stadt und nennt sie längst sein Zuhause. Wir treffen uns im Garten des Hotels Chateau Marmont, ein beliebter Ort für die Berühmtheiten aus Film und Musik. Die Vögel zwitschern, von den Nachbartischen klingt Society-Tratsch herüber. Savics tiefschwarzer Bart ist sorgfältig gestutzt, wie es sich für einen Friseur gehört, seine wachen Augen checken die Umgebung ab. Einigen Gästen winkt er zu, so manchen von ihnen hat er schon die Haare gemacht.

In seiner Branche zählt er zu den Allerbesten. Und hier, an der eitlen amerikanischen Westküste, genießt er regelrechten Starruhm. Supermodels wie Cara Delevingne und Naomi Campbell, Starfotografen wie Ellen von Unwerth und Steven Meisel sowie Stars von Kim Basinger bis Madonna vertrauen auf seine Kunstfertigkeit – und auf seine Diskretion. Wir sprechen Deutsch, er redet schnell, hat es erkennbar eilig. Am Nachmittag müsse er noch nach Malibu, zu Cindy Crawford, entschuldigt er sich. Sie sei ja so unheimlich lieb. Ja, und morgen müsse er den Kardashians einen Besuch abstatten ...

STANDARD: Wie geht man mit Diven um? Sind sie so zickig, wie es das Klischee besagt?

Peter Savic: Man geht ganz normal mit ihnen um. Wenn sie spüren, dass ich sie wie normale Menschen und nicht wie Göttinnen behandle, ist alles in Ordnung. Ich behandle sowieso alle Menschen gleich.

STANDARD: Auch Madonna? Du hast jahrelang mit ihr gearbeitet. Wie hast du sie kennengelernt?

Savic: Bei der Arbeit zu dem Musikvideo Live to Tell. Sie war erstaunlich normal, und wir verstanden uns auf Anhieb. Es war der Soundtrack für einen Film, in dem ihr damaliger Mann, Sean Penn, und auch Christopher Walken spielten. Sie wollte eine Frisur aus den 1950er-Jahren. Ihr damaliger Friseur hatte keine Zeit, und die Visagistin, die mit ihr arbeitete, Francesca Tolot, zeigte Madonna meine Arbeiten. Na ja, die waren natürlich sehr wienerisch.

STANDARD: Was meinst du mit wienerisch?

Savic: 20 Jahre hinten nach. (lacht) Aber Madonna sah in meinem Buch ein Foto mit einer Frisur aus den 50er-Jahren. Vielleicht war das sogar die Palmers-Kampagne. Jedenfalls wurde ich aufgrund dieses Fotos gebucht. Daraus entstand eine jahrelange Zusammenarbeit.

STANDARD: Du hast es geschafft, Madonna die Haare in Erbeerblond zu färben und Lady Gaga in Lavendel-Lila. Wie hast du sie dazu überredet?

Savic: Sie haben mir einfach vertraut. Warum, weiß ich auch nicht. Ich sehe sofort, wie ich Menschen durch eine neue Frisur zu ihrem Vorteil verändern kann. Diese Vision, dieses Talent, habe ich. Das spürten sie.

STANDARD: Wie oft hast du Madonnas Frisur und somit ihren Stil verändert?

Savic: Oh Gott, das kann ich nicht sagen. Sehr oft. Ich habe sie von lang auf kurz, von Platinblond auf Mittelbraun verändert. Ich habe 95 Videos mit ihr gedreht.

STANDARD: Du arbeitest auch mit bildenden Künstlern. Mit dem jungen amerikanischen Künstler Connor Tingley hast du vor kurzem gemeinsame Arbeiten in einer Galerie in Bukarest gezeigt. Wie kam es zu dem Projekt?

Savic: Der Fotograf Michel Comte stellte ihn mir bei einem Fotoshooting für die russische "Vogue" vor. Connar malte die Bilder für das Foto-Set. Wir beschlossen, an einer gemeinsamen Ausstellung zu arbeiten. Die Ausstellung in Bukarest war sehr erfolgreich.

STANDARD: War Friseur immer schon dein Traumberuf?

Savic: Ganz und gar nicht! Ich wollte Ägyptologie studieren. Aber meine Mutter hatte kein Geld. Sie meinte: "Friseur, das wäre doch etwas für dich." Recht hat sie gehabt! Ich begann in einem Salon im neunten Wiener Bezirk, und es gefiel mir gut. Dann war ich jahrelang bei Wellner und später bei Berndorfer im Ersten.

STANDARD: In Wien warst du ein bunter Vogel mit einem besonderen Look: einer Mischung aus Rasputin, Magier und Pirat. Du hast etwas Exotisches ausgestrahlt. Deine Uniform aus schwarzen Pumphosen, einem breiten Ledergürtel, halb offenem Hemd und einem Bandana ist auch in L.A. zu deinem Markenzeichen geworden.

Savic: Ich habe mir noch nie von irgendjemandem irgendetwas verbieten lassen. Ich habe immer das gemacht, was mir Spaß machte. Und nicht weil ich auffallen wollte.

STANDARD: Ich erinnere mich, dich im damals total angesagten Nachtclub Montevideo mit nacktem Oberkörper tanzen gesehen zu haben. Um den Hals trugst du eine Kette, an der ein Stück Fleisch hing ...

Savic: ... reden wir nicht darüber.

STANDARD: Hatte Lady Gaga die Idee zu ihrem berühmten Kleid aus rohem Fleisch etwa von dir?

Savic: Lassen wir das lieber. Zu dieser Zeit war ich ein leidenschaftlicher Punk. Ich war jung und wild. Meine Mutter schüttelte über mich den Kopf: "Du bist wirklich verrückt, aber ich glaub an dich." Das hat mir sehr geholfen.

STANDARD: Hast du dich in Wien wohlgefühlt?

Savic: Ich liebte Wien, es war eine tolle Zeit. Ein paar meiner hunderttausend Ideen konnte ich dort umsetzen. Bei Helmut Langs erster Modeschau im Motto habe ich die Haare der Models gemacht. Es waren allesamt Freunde und Bekannte von ihm.

STANDARD: Welche Frisuren hast du ihnen verpasst?

Savic: Lockenköpfe, die aussahen wie ausgebürstete Dauerwellen. À la Guy Bourdin und Donna Summer. Sehr 70er-Jahre!

STANDARD: Du bist auch für viele erfolgreiche Karrieren von Models verantwortlich. Du hast Walter Schupfer entdeckt, und für mich hast du eine Agentur in L.A. gefunden. Daraufhin bekam ich eine Buchung mit Steven Meisel für die amerikanische "Vogue".

Savic: Walter sah ich bei einer Modeschau von Helmut Lang, und als ich ihn dann im U4 wiedersah, fragte ich ihn, ob er nicht modeln will. Er war damals noch in der Schule und hielt Modeln für Schwachsinn. Ich konnte ihn dann überzeugen, Elfi (Semotan, Fotografin, Anm.) zu treffen. So hat das angefangen. Er wurde sehr erfolgreich. Er lief als erster Mann bei einer Chanel-Modeschau, machte die Calvin-Klein-Kampagne und vieles andere mehr. Na ja, und bei dir hätte ich es schade gefunden, wenn du Hausfrau geblieben wärst.

STANDARD: Warum bist du aus Wien weggegangen, wenn du dich so wohlgefühlt hast?

Savic: Die Wienerin Angelika Schubert arbeitete als Visagistin in L.A. und erzählte mir von den dortigen Möglichkeiten für Haar-Stylisten. Das reizte mich. Die Schmuckdesignerin Cora Egg überredete mich dann, gemeinsam nach L.A. zu fliegen. Das war 1983.

STANDARD: Du sprachst damals kein Wort Englisch. Den Führerschein hast du bis heute nicht. Taxis gab es damals in L.A. sehr wenige. Wie hast du dich durchgeschlagen?

Savic: Der Anfang war irrsinnig schwer. Ich hatte schreckliches Heimweh! Cora kam zu den Fotoshootings als Übersetzerin mit. Ich habe damals mit dem Fotografen Phillip Dixon gearbeitet, der mich an die beste Agentur für Haare und Make-up in L.A. vermittelte.

STANDARD: Was waren deine ersten Arbeiten?

Savic: In L.A. wurden damals hauptsächlich Kataloge fotografiert, Werbespots und Filme gedreht. Es gab ganz wenige gute Fotografen. Ich fing an, mit Schauspielern und Sängern zu arbeiten. Als MTV aufkam und plötzlich Musikvideos gedreht wurden, änderte sich die Szene.

STANDARD: Erinnerst du dich an den ersten Star, mit dem du gearbeitet hast?

Savic: Das war Tatum O'Neal. Die Tochter des Schauspielers Ryan O'Neal, sie spielte in Paper Moon. Während der Arbeit fragte sie mich, wo ich denn wohne. Als ich ihr erzählte, dass ich in einem Motel schlief, lud sie mich zu sich ein. Ich packte meine zwei Koffer und zog für ein paar Monate zu ihr.

STANDARD: Das klingt klischeehaft amerikanisch ...

Savic: ... sie hatte einen Narren an mir gefressen. Das passiert mir immer wieder.

STANDARD: Warst du nervös bei deinen ersten Jobs in Los Angeles?

Savic: Nein, ich war nie nervös. Doch! Ein Mal. Bei Grace Jones. Als ich noch in Wien lebte, träumte ich davon, mit ihr zu arbeiten. Aber weder bei Madonna noch bei Sophia Loren oder Lady Gaga war ich je nervös. Mit Sophia Loren arbeite ich am liebsten. Ich liebe sie!

STANDARD: Du hast viel mit dem legendären Fotografen Herb Ritts gearbeitet. Wie sehr konntest und kannst du bei Shootings deine eigenen Ideen einbringen?

Savic: Es ist immer eine Zusammenarbeit zwischen Art-Director, Fotograf oder Regisseur, Visagisten und Haar- und Mode-Stylisten. Es ist wichtig, ein guter Teamplayer zu sein. Im Idealfall holt jeder das Beste aus dem anderen heraus. Herb setzte viele meiner Ideen mit großer Freude um. Der Tintenfisch auf dem Kopf von Schauspieler Djimon Hounsou war meine Idee. Oder die Tonerde in den Haaren von Tony Ward.

STANDARD: Gibt es Stars, mit denen du nicht mehr arbeiten willst? So wie die meisten Friseure nie wieder mit Fay Dunaway arbeiten wollen, weil sie so schwierig ist?

Savic: Namen will ich keine nennen. In meiner ganzen Karriere gab es nur zwei Menschen, die sich unmöglich benommen haben. Mit ihnen würde ich auch nie wieder arbeiten. Nie wieder!

STANDARD: Stars und Dramen gehen oft Hand in Hand. Wie geht man damit um?

Savic: Wenn Amy Winehouse nach L.A. kam, war ich ihr Friseur. Ein ganz, ganz lieber Mensch. Es tut mir unendlich leid, wenn schlimme Dinge passieren. Aber ich kann darüber nicht zu viel nachdenken, es würde mich depressiv machen. Und dann könnte ich nicht mehr arbeiten. Ich versuche deswegen keine allzu engen Bindungen einzugehen. (Cordula Reyer, RONDO, 13.5.2017)