Die Künstlerin Renate Bertlmann wurde mit dem Großen Staatspreis geehrt.

Foto: SAMMLUNG VERBUND, Wien / Reinhold Bertlmann

Eine vermeintlich schwangere Frau im Hochzeitskleid wird im Rollstuhl in den Saal geschoben. Ihr Gesicht ist durch eine mit Schnullern besetzte Maske verborgen respektive entstellt: Die Videoaufzeichnung dieser Performance der Künstlerin Renate Bertlmann aus dem Jahr 1978 bereitet noch Jahrzehnte später Unbehagen.

Immer wieder hatte Bertlmann Schnuller in ihren Arbeiten verwendet, aber auch Kondome – übte sie ihre Kritik am Patriarchat doch nicht zuletzt über das Spiel mit Phallussymbolen. Für die Arbeit "Zärtliche Berührungen" (1976) arrangierte sie aufgeblasene Kondome so, dass diese einander liebevoll "anzustupsen" scheinen.

Menschlicher statt männlicher

Eine Absicht, die sie mit Arbeiten wie diesen verfolgte, beschrieb die 1943 in Wien geborene Künstlerin in einem frühen Pamphlet so: Sie wolle das "feminine Prinzip in eine maskuline Welt bringen, um dadurch die Welt menschlicher statt männlicher zu machen". Niemals tat und tut Bertlmann dies jedoch mit plakativem Fingerzeig, sondern stets auf subtile und poetische, bisweilen ironische Art – was wohl auch ein Grund dafür ist, dass sie erst spät zu durchschlagendem Erfolg kam. Seit den 1970er-Jahren künstlerisch tätig, ist sie zuweilen als Männerhasserin missverstanden worden.

Nun wurde Bertlmann, die aktuell auch in einer Ausstellung des Mumok zur "feministischen Avantgarde" vertreten ist, mit der höchsten Auszeichnung der Republik geehrt: dem mit 30.000 Euro dotierten Großen Österreichischen Staatspreis. Bertlmanns Arbeiten hätten in der "feministischen Kunst ikonische Wirkung entfaltet", begründete die Jury ihre Entscheidung. "Durch ihre Kunst hat sie den Spielraum weiblicher Selbstbestimmung entschieden erweitert."

Pornografie, Ironie, Utopie

Nach Eigendefinition gliedert sich Bertlmanns Werk in drei Teile: "Pornografie" befasst sich mit dem Krieg der Geschlechter, "Ironie" thematisiert die Begegnung der Menschen, der dritte Teil – "Utopie" – widmet sich schließlich der Vereinigung von Körper, Geist und Seele.

Bertlmann hatte an der Wiener Akademie der bildenden Künste studiert, wo sie auch einige Jahre lehrte. Seit frühen Studientagen ist sie mit dem Quantenphysiker Reinhold Bertlmann liiert, den sie 1969 heiratete. Das entsprechende Brautkleid und den Schleier nutzte sie später übrigens häufig als Requisiten für Fotografien, Filme und Performances – auch für obengenannte "Schwangere Braut im Rollstuhl". (Tanja Traxler, 9.5.2017)