Wien – Ein ehemaliger Direktor eines Wiener Gynasiums, der einem Schüler den Weg zur Informatik-Matura geebnet hatte, ist am Mittwoch vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen worden. "Überkorrekt war es nicht, was Sie getan haben. Es ist aber nicht alles strafbar, was nicht korrekt ist. Nicht jede Verletzung einer Formvorschrift ist ein Amtsmissbrauch", stellte Richter Christian Böhm am Ende fest.

Nach Ansicht des Schöffensenats waren die "materiellen Voraussetzungen" erfüllt, um dem Schüler im Herbst 2015 eine Nachtragsprüfung zu ermöglichen, nachdem er in der sechsten Klasse keinen Leistungsnachweis in Informatik erbracht hatte. Der Senat ging davon aus, dass der Bursch unangemeldet am Unterricht in dem Wahlpflichtfach teilgenommen und jedenfalls der Schulstufe entsprechende Kenntnisse hatte. "Außerdem fehlt es am Eventualvorsatz auf eine Schädigung", befand Böhm. Grundsätzlich sei in dem Fall fraglich, ob die nachträgliche Ausstellung des Jahreszeugnisses aus der sechsten Klasse überhaupt ein Amtsgeschäft sei.

Disziplinarverfahren

Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Staatsanwalt Marc-Julian Mayerhöfer gab vorerst keine Erklärung ab. Der ehemalige Schuldirektor, der fast 30 Jahre am betreffenden Gymnasium unterrichtet hat, ist mittlerweile an einer anderen Schule tätig. Wie der Stadtschulrat auf Anfrage erklärte, läuft gegen ihn ein Disziplinarverfahren.

"Ich bin in dem Moment davon ausgegangen, dass es eine vollkommen korrekte Vorgangsweise ist", betonte der Angeklagte im Landesgericht für Strafsachen. Der Mann hatte seit fast 30 Jahren an ein und derselben Schule unterrichtet, als er Anfang 2014 deren Leitung übernahm. Im Herbst desselben Jahres traten zwei Lehrerinnen mit einem Problem an ihn heran. Einer ihrer Schüler wolle in Informatik maturieren, hätte allerdings das Wahlpflichtfach in der sechsten Klasse nicht besucht, schilderten sie dem Direktor. Erst in der Siebenten wäre der Bursch offiziell in den Informatik-Unterricht eingestiegen.

Schriftliche Weisung erteilt

Um in diesem Fach die Reifeprüfung ablegen zu können, wäre ein Leistungsnachweis ab der sechsten Klasse erforderlich gewesen. Der Schuldirektor fand folgende Lösung: Er erteilte eine schriftliche Weisung, die es dem Schüler ermöglichte, im November 2014 eine "Nachtragsprüfung" über den Stoff der sechsten Klasse abzulegen. Das entsprechende Duplikat-Zeugnis, das dem Schüler die Note "Sehr Gut" für die fehlende Schulstufe bescheinigte, unterschrieb der Direktor, bevor die Prüfung überhaupt stattgefunden hatte. Das Originalzeugnis soll der Schulleiter zerrissen haben.

Letzteres bestritt der Angeklagte: "Ich kann mich daran nicht erinnern. Das widerspräche der Vorschrift." Dass er das Duplikat vor der Nachtragsprüfung unterfertigt hatte, rechtfertigte er damit, dass es vom Klassenvorstand noch nicht unterschrieben worden und damit noch "ungültig" gewesen sei: "Ich wollte das vom Tisch haben. Der Schulbeginn ist eine Zeit mit vielen Baustellen. Wenn man eine weg hat, kann man sich auf die anderen besser konzentrieren." Im Übrigen hätte der betreffende Schüler in der Sechsten am Informatik-Unterricht sehr wohl teilgenommen – auf freiwilliger Basis, ohne angemeldet gewesen zu sein.

Deswegen sei der Schüler weder im Klassenbuch gestanden noch benotet worden. Der Bursch hätte allerdings auf diesem Fachgebiet "Fähigkeiten, die für einen jungen Mann außergewöhnlich sind" gehabt, betonte der Angeklagte. Er selbst habe in seiner Funktion als Schulleiter wahrgenommen, wie der Schüler auf seinem Tablet ein Tool für ein Schüler-Feedback programmiert hätte: "Seine Kenntnisse sind weit über die eines Maturanten hinausgegangen."

Bursche bestand Matura

Tatsächlich bestand der Schüler die Nachtragsprüfung mit "Sehr Gut" und maturierte auch in Informatik mit sehr gutem Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt war der Direktor allerdings seinen Job los. Die Kollegin, der er die Anordnung erteilt hatte, den Burschen zur Nachtragsprüfung zuzulassen, hatte sich im April 2015 an den Stadtschulrat gewandt, der rechtliche Schritte gegen den Schulleiter setzte. Auch strafrechtliche Ermittlungen kamen in Gang. "Ich hatte nicht das Gefühl, dass das funktioniert, dass das rechtens ist", erläuterte die Kollegin des Angeklagten im Zeugenstand, weshalb sie die Sache, über die an sich schon Gras gewachsen war, publik machte. Ihren Angaben zufolge befürchtete sie, "mit einem Bein im Kriminal zu stehen". Für die Pädagogin machte sich ihr Vorgehen insofern bezahlt, als sie seither interimistische Leiterin der betreffenden Schule ist. (APA, 10.5.2017)