Josef Pröll, Michael Spindelegger und Wilhelm Molterer beim Parteitag 2014. Damals wurde Reinhold Mitterlehner gewählt.

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Traditionelle Obmannwechsel: Die ÖVP-Parteiobmänner 1995 bis 2017.

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Wien – Die schwache Position des ÖVP-Chefs geht auf das Jahr 1945 zurück: Am 11. September 1945 scheiterte Generalsekretär Felix Hurdes mit seinem Organisationskonzept für die knapp fünf Monate alte Volkspartei. Hurdes hatte genau das gewollt, was in den Jahren danach jeder Parteichef ersehnt hat: eine starke Bundespartei, in der Parteiobmann (vorgesehen für diese Rolle war Hans Perntner) und Generalsekretär die politische Linie vorgeben sollten.

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Die Macht der Bünde

Die damals nur drei Bünde sollten je einen Vertreter in die Parteileitung delegieren. Diese Struktur wäre mit einer relativ weit links stehenden, von christlichsozialen Arbeitnehmervertretern geprägten Parteiführung verbunden gewesen – was weder der die ländlichen Wähler organisierende Bauernbund noch die Politiker der westlichen Bundesländer für opportun hielten.

Mit dem niederösterreichischen Bauernbündler Leopold Figl und dem ebenfalls niederösterreichischen Wirtschaftsbündler Julius Raab wurde entgegen den Plänen von Hurdes eine Parteiführung etabliert, in der der Arbeitnehmervertreter Lois Weinberger nur noch eine Nebenrolle spielen konnte. Raoul Bumballa, der aus der Widerstandsbewegung kam, schied nach wenigen Wochen aus der Parteiführung aus, weil ihm der klerikal-konservative Einfluss in der Partei zu stark erschien.

Die bündische Struktur prägte die Zeit, in der die Volkspartei (in der Person Figls) den Bundeskanzler stellte – gleichzeitig war es Figl, der als Erster erleben musste, wie der Wirtschaftsbund (geführt von seinem Partei- und persönlichen Freund Raab) mit dem Arbeitnehmerbund ÖAAB gegen die Politik des Kanzlers konspirierte.

Medien machen – und zerstören – Parteichefs

Und schon damals spielten die Medien hinein: Es waren die "Salzburger Nachrichten", zu denen Raab gute Kontakte pflegte, die die Figl-ÖVP angriffen und Reformen einmahnten.

Unter Reformen verstand man damals wie heute vor allem personelle Änderungen: Figl musste nach der für die ÖVP verlorenen Bundespräsidentenwahl (Heinrich Gleißner unterlag am 27. Mai 1951 dem Sozialdemokraten Theodor Körner) "für die Zeit seiner Zugehörigkeit zur Bundesregierung" einen geschäftsführenden Parteiobmann akzeptieren. Und das wurde Julius Raab, der sich mit dem Arbeitnehmervertreter und Zeitungsverleger ("Oberösterreichische Nachrichten") Alfred Maleta auch einen Generalsekretär aus dem ÖAAB holte.

Der ewige Ruf nach Reformen

Die Demontage Figls ging weiter, Raab zwang ihm Reinhard Kamitz als Finanzminister auf – nachdem die steirische Landespartei einen weitgehenden Umbau der Regierungsmannschaft und ein schärferes Auftreten gegen den sozialistischen Juniorpartner in der Regierung gefordert hatte. Nur die Wahlarithmetik rettete der ÖVP bei der folgenden Nationalratswahl die Mandatsmehrheit – und mitten in den Regierungsverhandlungen 1953 löste Raab Figl als Verhandlungsführer ab und übernahm Partei und Kanzlerschaft.

Sieben Jahre später ging es Raab selbst nicht besser. Zwar hatte er als Mulitfunktionär (Landesparteichef in Niederösterreich, Präsident des Wirtschaftsbunds, Präsident der Bundeswirtschaftskammer) jeweils schwache geschäftsführende Statthalter eingesetzt, doch nach der Nationalratswahl 1959, in der die ÖVP wieder nur durch Glück die Mandatsmehrheit gehalten hatte, musste ein Nachfolger her. Und bitte nicht noch einer aus Niederösterreich.

Der "eiserne Hermann" Withalm

Wieder waren es die Steirer, wieder ging es um Reform, wieder blieb von der Reform nichts als eine Personalrochade: Alfons Gorbach folgte Raab ins Amt des Parteichefs, dann auch ins Kanzleramt. Im Generalsekretariat machte sich dagegen der Niederösterreicher Hermann Withalm breit – und trotz unbestreitbarer Wahlerfolge Gorbachs wurden schon wieder Rufe nach Reformen laut. Withalm blieb, der Salzburger Josef Klaus stieg 1963 in die Position des Partei- und ein Jahr später in die des Regierungschefs auf.

Tatsächlich war die Ära Klaus die erfolgreichste der ÖVP: 1966 errang sie die absolute Mehrheit, am Sessel von Klaus wurde aber auch deshalb nicht so intensiv gesägt, weil er als bisher einziger VP-Chef den Westen repräsentierte, gleichzeitig aber viele politische Talente aus den östlichen Bundesländern (Josef Taus, Heinrich Neisser, Thomas Klestil, Leo Wallner) förderte.

Machtverlust an die SPÖ

Nur mit dem Zeitgeist passte es nicht zusammen: 1970 gewann Bruno Kreisky für die SPÖ die relative Mehrheit, und für die ÖVP setzte es eine Dauerkrise. Klaus trat noch am Wahlabend zurück, Withalm übernahm die Partei, versprach, richtig: Reformen. Stattdessen führte er die ÖVP in die Nationalratswahl 1971, bei der die SPÖ die absolute Mehrheit bekam.

Woraufhin der bisherige Generalsekretär Karl Schleinzer, ein Kärntner, die ÖVP übernahm und tatsächlich Reformen einleitete: Die ÖVP bekam das Salzburger Programm, einen von Stephan Koren straff und mit viel Fachwissen geführten Parlamentsklub und neue Gesichter ("junge Löwen") in den Ländern.

ÖVP-Obleute seit 1945 und ihre Wahlergebnisse: Zum Vergrößern bitte anklicken

1975 war Wahljahr, Schleinzer erlitt zu Beginn des Wahlkampfs einen tödlichen Unfall. Josef Taus, der schon vorher vom "Profil" als nächster Parteichef angekündigt worden war, übernahm die Partei und verlangte Reformen.

Nein, zuerst müsse die Wahl gewonnen werden, hieß es aus der Partei.

Wurde sie aber nicht. Taus mühte sich redlich, aber die Partei folgte ihm nur halbherzig. Als Koren im Jänner 1978 als Präsident in die Nationalbank wechselte, wurde Alois Mock sein Nachfolger als Klubchef. Und nicht der Parteiobmann Taus, dessen Tage gezählt waren.

Die wechselvolle Ära Mock

Bei der Wahl 1979 verlor Taus neuerlich, ein Ultimatum, der Bundespartei mehr Gewicht zu geben, verstrich – und Taus machte Platz für Mock an der Parteispitze. Mock hatte acht relativ erfolgreiche Jahre als Oppositionsführer (auch wenn aus den Bundesländern gelegentlich der Neujahrstreffen immer wieder Kritik kam), die Mehrheit errang er aber weder 1983 noch 1986.

Also ging er in die Koalition mit Franz Vranitzky, was inhaltlich erfolgreich war (er hatte parteiinternen Kritikern den EU-Beitritt versprochen), ihn aber Kraft und innerparteiliches Durchsetzungsvermögen kostete.

Auf Mock folgte Josef Riegler, der sich selbst für gar nicht geeignet hielt und daher rasch von Erhard Busek, der schon Mocks Sturz wohlwollend begleitet hatte, abgelöst wurde. Busek hatte sich allerdings im Lauf der Jahre innerhalb der Partei so viele Feinde geschaffen, dass auch ihm kein Erfolg gegönnt wurde. Folge: Auch Busek musste gehen, noch zu seiner Amtszeit wurde Erwin Pröll beauftragt, einen Wunderwuzzi zu finden, der die Partei retten könnte. Pröll scheiterte an dieser Aufgabe, anstelle seines Wunschkandidaten kam Wolfgang Schüssel.

Schüssel hatte Kritiker im Griff

Dieser verlor zwei Wahlen (1995 und 1999), hatte aber seine innerparteilichen Kritiker so weit im Griff, dass er es wagen konnte, sich aus der Position des Dritten im Jahr 2000 zum Kanzler machen zu lassen. Aller medialen Kritik und einigen Querschüssen zum Trotz konnte Schüssel die einigende Kraft der Macht nutzen. Einen fulminanten Wahlsieg (2002) und eine knappe Niederlage (2006) später nahm Schüssel den Hut und machte den Bauernbündler Wilhelm Molterer zum Nachfolger.

Dieser verspielte das Vertrauen seiner Partei in einer vorgezogenen Wahl, er musste dem nächsten Bauernbündler, Josef Pröll, Platz machen. Dieser war zunächst sehr populär, scheiterte aber an der Hypo-Alpe-Adria, seiner eigenen Gesundheit und letztlich seiner Partei. Er kehrte nur kurz aus dem Krankenstand zurück, um auf Geheiß von Onkel Erwin Pröll den ÖAABler Michael Spindelegger zum Nachfolger zu machen.

Auch der Niederösterreicher Spindelegger arbeitete fleißig, aber seine Partei sah in ihm zu wenig Perspektive. Ständige Kritik zermürbte ihn, ein Jahr nach der (nach heutigen Maßstäben: knapp) verlorenen Wahl musste auch er 2014 gehen. Es folgte der Aufstieg und Untergang von "Django" Reinhold Mitterlehner. (Conrad Seidl, 10.5.2017)