Sie "bedaure" den Rückzug ihrer Nichte Marion Marechal-Le Pen (re.) aus der Politik, sagte die FN-Chefin Marine Le Pen. Das Verhältnis der beiden galt allerdings seit längerem als angespannt.

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Sie ist erst 27 Jahre alt, vertritt die dritte Generation der Le-Pen-Dynastie und galt als Zukunftshoffnung der französischen Rechtspopulisten. Doch jetzt tritt Marion Maréchal-Le Pen ab. In einem Interview mit der südfranzösischen Zeitung "Vaucluse-Matin" erklärte sie, sie wolle sich "für einige Zeit" aus dem politischen Leben zurückziehen, um mehr Zeit für ihre zweijährige Tochter zu haben. Auch wolle sie in der Privatwirtschaft einen Job suchen. Bei den Parlamentswahlen im Juni wird sie nicht mehr kandidieren. Maréchal-Le Pen ist seit fünf Jahren eine der beiden Abgeordnete des Front National (FN) in der Nationalversammlung. Zudem sitzt sie im Regionalrat an der Côte d'Azur.

Die Ankündigung der Enkelin von Parteigründer Jean-Marie Le Pen stellte keine Überraschung mehr dar, da sie bereits seit einiger Zeit offen mit dem Gedanken gespielt hatte, ihre politischen Mandate niederzulegen. Nach ihrer Scheidung schob sie stets familiäre Gründe vor, doch niemand zweifelt, dass es vor allem die Differenzen mit der Parteiführung sind, die sie zu dem Schritt bewogen haben.

Marion Maréchal vertrat innerhalb der Partei eine wirtschaftsliberale Position und stand den Kirchentraditionalisten nahe. Auch plädiert sie für Kontakte zum rechtskonservativen Flügel der Republikaner, um die Isolierung ihrer Partei aufzubrechen. Damit geriet sie in scharfen Konflikt zum FN-Vizepräsidenten Florian Philippot, der aus dem linksrepublikanischen Milieu stammt.

Kursstreit im FN

Der homosexuelle Chefstratege des FN verkörpert einen "sozialistischen" Wirtschaftskurs und eine offene Familienpolitik – das ziemliche Gegenteil von Marion Maréchals reaktionären Ansichten.

Philippot inspirierte auch den Europakurs von Marine Le Pen im Präsidentschaftswahlkampf und wurde dafür parteiintern hart kritisiert: Die zunehmend unklar formulierte Forderung nach einem EU-Austritt Frankreichs dürfte die Kandidatin zuletzt um zahlreiche Stimmen gebracht haben. Marion Maréchal-Le Pen gelang es aber nach der Wahl nicht, Philippot in die Minderheit zu versetzen. Bei einer Parteisitzung am Dienstag erhielt er das Vertrauen ausgesprochen. Maréchal-Le Pen zog die Konsequenzen und trat selber zurück.

Parteichefin Marine Le Pen erklärte, sie bedaure "Marions Entscheid" zutiefst. Sie versuchte ihm selber die politische Tragweite zu nehmen, indem sie anfügte, "als Mutter" habe sie natürlich volles Verständnis dafür.

Als Parteichefin hat sie aber Grund zur Sorge: Marion Maréchal war an der Basis sehr populär und hatte die besten Chancen, im Provence-Departement Vaucluse eines der seltenen FN-Mandate in der Nationalversammlung zu erringen. Auch ihr Großvater, der politisch ähnlich denkt wie sie, bedauerte den Abgang seiner Enkelin und sagte der Partei "furchtbare Konsequenzen" voraus. Das münzte er auch auf seine Tochter Marine, die ihn vor zwei Jahren aus der Partei geworfen hatte.

Mögliche Rückkehr

Falls die FN-Chefin nach ihrem Misserfolg bei den Präsidentschaftswahlen auch bei den Parlamentswahlen im Juni eine Schlappe erleidet, dürfte der schwelende Kursstreit im FN offen ausbrechen. Und dann könnte sie gezwungen sein, ihren Vordenker Philippot fallenzulassen. Sollte damit auch ein Kurswechsel in der Wirtschafts- und Europapolitik verbunden sein, würde Marion Maréchal-Len Pen vermutlich zurückkehren. Sie erklärte nämlich, sie wolle den politischen Kampf "nicht endgültig" aufgeben. (Stefan Brändle aus Paris, 11.5.2017)