Einmal mehr beweist Donald Trump, seine ganz eigene Sicht auf die Realität zu haben. "Wenn sich die Aufregung erst einmal legt, werden mir alle danken", twitterte der US-Präsident in Reaktion auf die allgemeine Empörung, die dem überraschenden Rausschmiss von FBI-Direktor James Comey folgte. Journalistenlegende Dan Rather, vertrautes Gesicht in Millionen amerikanischen Wohnzimmern, spricht von "einem der dunkelsten Tage in der amerikanischen Geschichte". Trumps Vorgehen war in der Tat höchst bedenklich, weil es nicht fachlich, sondern offenkundig politisch motiviert war. Man liegt wohl nicht weit daneben, wenn man mutmaßt, dass die Nervosität im Weißen Haus – vor allem am Schreibtisch des Oval Office – seit Wochen steigt, weil sich Trumps "Moskau-Problem" einfach nicht von selbst in Luft auflösen will.

Dies wurde zuletzt auch in der Causa Michael Flynn deutlich: Den hatte Trump zum Nationalen Sicherheitsberater gemacht – trotz Warnungen der amtierenden Justizministerin Sally Yates, der Exgeneral sei wegen seiner Russland-Kontakte kompromittiert und damit erpressbar. Tatsächlich musste Flynn schon nach wenigen Tagen zurücktreten. Inzwischen ist er bereit, unter gewissen Bedingungen mit den Behörden zu kooperieren.

Trump wollte wohl sicherstellen, dass es zu keinem Deal kommt, und schaffte kurzerhand FBI-Chef Comey aus dem Weg. Das könnte sich als Bumerang erweisen, denn es darf jetzt nicht "business as usual" geben. Vielmehr müssen wieder einmal diese Fragen gestellt werden: Welche Verbindungen zwischen Trumps Vertrauten und dem Kreml gibt es wirklich? Was weiß Trump selbst darüber? Und wenn er etwas weiß: Was hat er zu verbergen?

All dies aufzudecken ist aber nicht nur die selbstgewählte Aufgabe der unabhängigen Medien (von Trump als "fake news" verhöhnt), sondern vor allem die verfassungsmäßige Pflicht des US-Kongresses. Senatorin Elizabeth Warren ist zuzustimmen, wenn sie diesen auffordert, den Kopf nicht länger in den Sand zu stecken. Was sie damit meint: eine ernsthafte Diskussion darüber, ob Trump als Präsident tragbar ist – oder es jemals war.

Nicht zum ersten Mal erinnert Trump an Richard Nixon. In einer später als "Saturday Night Massacre" bekannt gewordenen Aktion entließ der damalige US-Präsident, in der Watergate-Affäre schon massiv unter Druck stehend, am 20. Oktober 1973 einen Sonderermittler, um missliebige Ermittlungen zu stoppen. Ein kapitaler Fehler: Sogar loyalste Kreise waren darüber empört, dass sich Nixon über die Verfassung zu stellen und Immunität zu erlangen versuchte. Der Rest ist bekannt: Im Sommer 1974 trat Nixon zurück, um einem Amtsenthebungsverfahren zu entgehen.

So wie bei Nixon liegen offensichtlich auch bei Trump die Nerven blank. Und so wie Nixon dürfte auch Trump einen kapitalen Fehler begangen haben: Man feuert nicht ungestraft den Chef einer unabhängigen Behörde, um die eigene Haut zu retten. (Gianluca Wallisch, 10.5.2017)