Neugierde wollen sie wecken – etwa mit queer-rituellen Ekstaseangeboten in clubartiger Atmosphäre, sagt das Festwochen-Kuratorenduo Nadine Jessen und Johannes Maile.

Foto: Robert Newald

STANDARD: Was ist das Performeum?

Jessen: Ein Ort, an dem wir ein Statement für die performativen Künste setzen. Wir versuchen, deren verschiedene Aspekte zu zeigen, haben Kollegen angesprochen, die für unterschiedliche Bereiche in den performativen Künsten stehen, und folgen dabei einem Prinzip von "Multikurati": Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, der für die Ausstellung The Conundrum of Imagination verantwortlich ist, kommt aus der bildenden Kunst, wir beide kommen von Theater und Tanz. Ben Pryor kuratiert das queere House of Realness und Zohra Opoku als Künstlerin Nahti. Aha. Sasa.

STANDARD: Alles eigene Formate innerhalb des Performeums?

Maile: Ja, dabei ist etliches durchgehend präsent, zum Beispiel die Conundrum-Ausstellung, die zum Teil auch im Leopold-Museum stattfindet. Und es gibt an jedem Wochenende wechselnde Positionen, das House of Realness ...

STANDARD: ... mit dem Untertitel "Queere ekstatische Praxis als Widerstand". Welche Ekstasen erwarten uns da?

Jessen: Pleasure is power! Mx. Oops etwa arbeitet an einer Schnittstelle von Ritual, Queerness, Ekstase in einer clubartigen Situation. Er stimuliert die Sinne mit Licht und Beats bis hin zu einer ekstatischen Show.

Maile: Der Ort wird über mehrere Stunden hin richtig aufgeladen. Mit Justin Vivian Bond als queer-aktivistischem Cabaret-Star zum Beispiel, oder mit Narcissisters kurzen Burlesque-Politik-Interventionen.

STANDARD: Das Performeum verbindet Performance und Museum?

Jessen: Ja, das analoge Live-Element wird in der Kunst desto wichtiger, je stärker die Digitalisierung fortschreitet.

STANDARD: Und das Widerständige daran?

Jessen: Die Kritik wird lauter und mehr, auch bei Künstlern. Im akademischen Feld kämpfen zum Beispiel die Postcolonial Studies gegen die Ignoranz gegenüber bestimmten geschichtlichen Zusammenhängen ...

Maile: ... auch in der Gegenwartskunst. Was das ist, wird immer noch im Westen bestimmt.

STANDARD: In diese Richtung zielt auch die "Akademie des Verlernens"?

Jessen: Im Prozess des Verlernens geht es auch gegen die Ignoranz. Da versuchen wir im ersten Jahr, viele unterschiedliche Positionen zu bündeln, ohne sie zu vereinnahmen. In Wien wird seit Jahren zu diesen Themen gearbeitet, zum Beispiel von der Gruppe Oca um Marissa Lobo, deren Night School bei uns seit März läuft. Und das Archiv der Zukünfte beschäftigt sich mit der Geschichte der Festwochen: Eine Gruppe aus Harlem hat hier bereits 1965 ein Stück von James Baldwin aufgeführt! Aber es geht nicht nur um einen akademischen Diskurs, sondern auch um die Verbindung von körperlicher Praxis und Kunst.

STANDARD: Werden das nicht sehr didaktische Festwochen zuungunsten der Kunst?

Maile: Nein, denn es gibt auch viele andere Produktionen, und die Akademie ist eine Mischung aus Volkshochschule, Aktivismus, Kunst- und Theorieproduktion.

STANDARD: Könnten sich nicht viele schon angesichts dieses Programms geschulmeistert fühlen und erst gar nicht hingehen?

Maile: Das hoffe ich nicht. Die Neugier der Menschen wird oft unterschätzt. Unsere Angebote sind dafür da, Wahrnehmungsmuster zu durchbrechen – das ist ja auch das Wesen von Kunst.

STANDARD: Passiert da nicht typisches "preaching to the converted"?

Maile: Man glaubt oft, aufgeklärt zu sein, und kann dann doch viel entdecken, das man so noch nicht gehört hat.

STANDARD: Zu "Hamamness" – auch ein Projekt der "Akademie des Verlernens" im Performeum: Nehme ich meine Badeschlapfen mit?

Jessen: Es gibt auch vor Ort welche. Da hat man wie in einem echten Hamam Wärme, eine gewisse Grundfeuchtigkeit und Körperbehandlungen, das aber kombiniert mit Diskurs und Performance, die überall lauern können. Während du eingeseift wirst, kann schon ein Intellektueller auf dem heißen Stein sitzen und sprechen.

STANDARD: Eines der vier "Hamamness"-Programme heißt "Gender Jihad". Was ist das?

Jessen: Jihad heißt so viel wie heiliger Krieg. Hamamness-Kuratorin Nuray Demir versucht, Vorurteilen und Ängsten etwas entgegenzusetzen. Angesprochen sind damit explizit Frauen und alle, die sich als Frauen identifizieren.

Maile: Denn bei Gender Jihad geht es auch darum, dass du Muslimin und Feministin sein kannst. (Helmut Ploebst, 10.5.2017)