Bundeskanzler Christian Kern will weitermachen und eine Reformpartnerschaft begründen. Sein Appell richtet sich an Sebastian Kurz.

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Letzte Amtshandlung: Reinhold Mitterlehner eröffnete am Mittwoch Stunden vor seinem Rücktritt mit Altkanzler Wolfgang Schüssel und Tiergartendirektorin Dagmar Schratter den Giraffenpark in Schönbrunn.

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Christian Kern machte es kurz. Dem Ball, den Noch-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) seinem Parteikollegen und Regierungsmitglied Sebastian Kurz zugespielt hatte, gab der SPÖ-Bundeskanzler in seiner öffentlichen Rede am Mittwoch um 13.30 Uhr einen noch schärferen Drall. Er biete "der ÖVP und Sebastian Kurz eine Reformpartnerschaft für Österreich an", sagte Kern mit strenger Miene. Es ist eine Aufforderung zum Handeln. Und zu einer klaren Festlegung: Neuwahlen oder gemeinsamer Neubeginn.

Das Land "durchlüften"

Welche der beiden Alternativen er bevorzugt, stellte Kern in seiner Rede klar. "Ich bin davon überzeugt, es macht Sinn, dieses mehr als eine kommende Jahr zu nutzen, um die notwendigen Veränderungen in unserem Land herbeizuführen", sagte der Kanzler. Sein Ziel sei es, "Österreich durchzulüften". Die Konzepte dafür gebe es, "sie liegen in unseren Schreibtischschubladen". Sie zu realisieren sei ausschließlich eine Frage des Willens.

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Dass Mitterlehner sich zurückziehe, bedaure er. Der Vizekanzler habe "sehr viel für Österreich getan, aus voller Überzeugung, in einem tiefen rot-weiß-roten Patriotismus", sagte Kern, der zugleich betonte, dass er "die persönlichen Gründe" des Vizekanzlers "natürlich verstehe und akzeptieren kann".

Kern "gedämpft optimistisch"

Was die Zukunft der rot-schwarzen Koalition betrifft, gab sich Kern gedämpft optimistisch: "Die Klärung, die jetzt bei der ÖVP ansteht", sei "möglicherweise eine Chance für Österreich und eine Chance für diese Bundesregierung". In der Vergangenheit habe es "viele Streitereien" gegeben, "mehr, als uns beiden lieb war", sagte Kern. Dennoch habe man Arbeitsergebnisse erzielt, die "mit Sicherheit herzeigbar" seien. Was die Wirtschaftslage Österreichs betreffe, habe Rot-Schwarz eine "Trendwende" geschafft. Nun gehe es darum, weitere Reformen durchzubringen.

Auf einen ÖVP-Chef festlegen will sich Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) im Gegensatz zu Kern nicht. "Das wäre anmaßend, der ÖVP auszurichten, wen sie als Chef wählen soll", sagt Leichtfried im STANDARD-Gespräch. Es liege nun in den Händen des Koalitionspartners zu entscheiden, was er wolle. Von SPÖ-Seite stehe das Angebot einer Reformpartnerschaft, mit der man viel erreichen könne. "Als Steirer habe ich schon sehr gute Erfahrungen mit einer Reformpartnerschaft gemacht", erklärt der Verkehrsminister.

Dass dort aber nun wieder ein schwarzer Landeshauptmann regiert, beirrt den Ressortchef nicht. Ihm sei aber bewusst, dass die "Atmosphäre schwierig" sei, nachdem mit Mitterlehner "die Spitze der konstruktiven Fraktion" die politische Bühne verlassen habe. Ob sich mit einem neuen Parteichef die Zusammenarbeit der Koalition verbessern werde? "Ich habe die schwarzen Angriffe immer als Kollateralschaden einer anderen Auseinandersetzung verstanden", sagt Leichtfried. Er hoffe, dass diese innerschwarzen Streitereien nun beendet seien.

Darauf setzt auch SPÖ-Klubchef Andreas Schieder. "Uns geht es ums Arbeiten", sagt er und meint, dass jetzt der Moment gekommen sei, in dem es seitens der ÖVP "ein Bekenntnis zur Weiterarbeit" brauche. Wer aus seiner Sicht neuer schwarzer Parteichef wird, will Schieder nicht verraten. Ihm geht es vor allem um eines: "Es braucht den Willen, gemeinsam etwas weiterzubringen."

"Jetzt ist er dran"

In der SPÖ gehen praktisch alle davon aus, dass Kurz neuer ÖVP-Obmann wird. Der Tenor: Er solle endlich Verantwortung übernehmen. Kurz habe ständig "gegen Mitterlehner angedrückt, jetzt ist er dran", sagt ein Funktionär.

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der sich mit der FPÖ in einer Koalition befindet, setzt keine übermäßigen Hoffnungen in Kurz. Es müsse sich zeigen, ob er ein "Bessermacher" und nicht nur ein "Besserwisser" sei, so Niessl. Wiens Bürgermeister Michael Häupl hofft, dass die Schwarzen die "ausgestreckte Hand" des Kanzlers nehmen und weiterarbeiten: "Die ÖVP wird sich zu entscheiden haben." (Marie-Theres Egyed, Peter Mayr, Maria Sterkl, 10.5.2017)