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Außenminister Sebastian Kurz dürfte nächster ÖVP-Chef werden.

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Wien – Nach dem Rücktritt von Parteichef Reinhold Mitterlehner werden in der ÖVP wieder Rufe nach strukturellen Änderungen laut, zumal der allseits erwartete Nachfolger, Außenminister Sebastian Kurz, schon deponiert hat, die Volkspartei im derzeitigen Zustand nicht übernehmen zu wollen.

Nachfolge-Diskussion in der ÖVP
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Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) etwa sagte im ORF-Radio Vorarlberg, dass die Partei über ihre Strukturen nachzudenken habe. Für nächste Schritte "muss hier auch strukturell etwas passieren". Dass man nun nur eine Person auswechsle und dann zur Tagesordnung übergehe und die Regierung einfach weiterarbeite, "das kann ich mir ganz schwer vorstellen", stellte Wallner fest.

Das Leben ist "kein Wunschkonzert"

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sagte im Ö1-"Morgenjournal" am Donnerstag: "Man darf nicht glauben, jetzt werden wir ihm eine Generalvollmacht geben. Er wird vieles von dem bekommen, was er bekommen will, weil er seine Freiheiten haben soll." Aber das Leben sei "kein Wunschkonzert", erinnerte Schützenhöfer und warnte vor zu großen Umbruchsfantasien, vor denen man Kurz auch schützen müsse, zumal "in Umbruchzeiten immer wieder Überlegungen von Spindoktoren" kämen, "die sagen: Und jetzt drehen wir alles um."

Jedenfalls solle Sebastian Kurz ein ÖVP-Obmann werden, "der auch entsprechende Freiheiten hat, der die ÖVP in die Zukunft führt", betonte der steirische VP-Landesobmann. Zugleich warnte er vor der falschen Hoffnung, dass ein neuer Kopf an der Parteispitze alle Probleme lösen würde. Da müsse die Volkspartei "verdammt aufpassen und realistisch sein". Denn auch Mitterlehner sei zu Beginn wie ein "Messias" bejubelt worden und schlussendlich doch "entnervt zurückgetreten".

Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer hatte im STANDARD-Interview auf die Frage, ob die Krise der Partei auch mit den Strukturen derselben zu tun haben könnte, gemeint: "Wir können gerne über alles nachdenken. Ich kann nur sagen, zum Beispiel unter Kanzler Wolfgang Schüssel hat genau dieses System blendend funktioniert. Es hat auch damit zu tun, wie wird das Miteinander gestaltet, und wie wird diese Partei geführt."

Erfolgreich mit alter Bündestruktur

Im Ö1-"Morgenjournal" sagte Stelzer allerdings auch dezidiert zur Frage der Bündestruktur der Volkspartei: "Ich glaube, es liegt nicht an der Struktur, ich glaube, es liegt an jenen, die Verantwortung tragen, und die wissen jetzt, dass sie zusammenarbeiten müssen." Immerhin sei die ÖVP "so, wie sie jetzt aufgestellt ist", auch in den Ländern aufgestellt – "und in sechs davon sind wir äußerst erfolgreich, wir führen sie auch". Und zwar "genau mit dieser Konstruktion", die jetzt im Bund wieder in die Diskussion geraten ist.

Gefragt nach Vollmachten und Durchgriffsrecht für Kurz, meinte Stelzer: "Wichtig ist, dass die Verantwortungsträger in der ÖVP, ob in den Ländern, in den Teilen oder im Bund, miteinander wollen und auch das Gleiche wollen. Das üben wir auch in den Ländern so. Da geht's nicht um Strukturen. Das hat auch viel mit Führung zu tun."

Kurz für Wöginger "klar der Favorit"

ÖAAB-Obmann August Wöginger bezeichnet Kurz als den "Hoffnungsträger der ÖVP". "Für mich ist er klar der Favorit", so Wöginger am Donnerstag gegenüber der APA. Seniorenbund-Chefin Ingrid Korosec war im Gespräch mit der APA ebenfalls voll des Lobes für den Außenminister: "Ich halte ihn für ein Jahrhunderttalent. Ich hoffe sehr, dass er das übernimmt und bin überzeugt, dass das eine sehr gute Entscheidung wäre."

Auch der Tiroler Landesparteiobmann Platter erklärte im Interview mit der Tiroler Tageszeitung: "Sebastian Kurz ist der Zukunftsmann in der ÖVP." Klar sei weiters: "Sebastian Kurz wird Spitzenkandidat der ÖVP für die Nationalrastwahl sein – unabhängig davon, wann sie stattfindet."

Nicht an personellen Spekulationen beteiligen will sich hingegen Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Sie verwies am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz in St. Pölten auf Verhandlungen in den Parteigremien.

Sonntagabend Wahl eines Interimschefs

Die neue Führung der ÖVP soll zumindest interimistisch am Sonntagabend im Parteivorstand beschlossen werden. Der Vorstand legt einen Vorschlag für die Funktion des Parteiobmanns vor, über den dann abgestimmt wird. Der interimistische Parteichef schlägt in weiterer Folge jemanden für die Funktionen des Vizekanzlers sowie des Wirtschafts- und Wissenschaftsministers vor – und diese Postenbesetzungen werden dann ebenfalls vom Vorstand beschlossen. Ob tags darauf auch eine Bundesparteileitung stattfindet, war zuletzt noch offen.

Innerhalb von drei Monaten muss dann vom Generalsekretär der Parteitag einberufen werden, bei dem der neue Parteichef gewählt wird. Im Zuge der Vorbereitungen für den Bundesparteitag entscheidet sich der neue Obmann dann auch für seine Stellvertreter. Diese werden nicht bereits am Sonntag im Vorstand bestimmt.

Stellvertreter von Mitterlehner sind aktuell JVP-Obmann und potenzieller Nachfolger Sebastian Kurz, Klubchef Reinhold Lopatka, Europamandatarin und Bauernbündlerin Elisabeth Köstinger sowie die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Ihr Nachfolger im Innenministerium, Wolfgang Sobotka, der mit seinen scharfen Aussagen in Richtung Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zuletzt auch bei Mitterlehner für Verärgerung gesorgt hatte, hat übrigens keinen Sitz im Parteivorstand. Ein genauer Termin für den Bundesparteitag steht noch nicht fest. (red, 11.5.2017)