Der Auftritt von Sebastian Kurz.

ORF

Das war deutlich. Sebastian Kurz hat sich für Neuwahlen ausgesprochen. Die ÖVP-Hoffnung hat also der Einladung von Kanzler Christian Kern zur Weiterarbeit an einem "Reformprogramm" eine klare Absage erteilt.

Mit seiner Einschätzung der Lage liegt der Außenminister richtig. Ein weiterer Neustart wäre mit der aktuellen Zusammensetzung der Koalition nicht durchführbar gewesen. Dass daran auch zu großen Teilen seine eigene Partei mit ihm als Macher im Hintergrund schuld ist, hat Kurz nicht erwähnt. Sein Befund stimmt allerdings: Mit dieser Regierung geht nichts mehr weiter. Wie und vor allem mit wem es weitergehen soll, sollen die Österreicherinnen und Österreicher entscheiden. Heißt: vorgezogene Wahlen im Herbst.

Die Obmannfrage hat Kurz vor dem Parteivorstand am Sonntag noch offengelassen. Das deutet darauf hin, dass er seine Forderungen betreffend inhaltliche Gestaltung und Personalentscheidungshoheit noch nicht in der ganzen ÖVP durchsetzen konnte. Das "private" Statement am Freitag war deshalb wohl auch eher an seine eigene Partei gerichtet. Hier dürfte es noch Verhandlungsbedarf geben. Innenminister Wolfgang Sobotka ist beispielsweise verdächtig ruhig in letzter Zeit. Außerdem haben zuletzt auch Interviews mit Landeschefs darauf hingedeutet, dass sich doch noch manche zieren, dem künftigen ÖVP-Chef ein völliges Durchgriffsrecht zuzugestehen.

Chef gibt Bedingungen vor

Es wäre allerdings sehr überraschend, sollte Kurz am Sonntag nicht doch zum ÖVP-Chef gekürt werden. Eine eigene Bewegung, wie sie beispielsweise Emmanuel Macron in Frankreich aus dem Boden gestampft hat, wäre zwar theoretisch möglich. In der kurzen Zeit bis zu den Wahlen im Herbst müsste Kurz aber Strukturen aufbauen, die vielversprechender sind als jene seiner Heimatpartei ÖVP. Hier geht es nicht zuletzt um Geld für den Wahlkampf.

Mehr Zeit hätte er gehabt, wenn nicht Reinhold Mitterlehner die Reißleine gezogen hätte. Würde Kurz den Obmann nun doch nicht machen, würde es ihm als Flucht vor der Reformaufgabe für seine Herkunftspartei ausgelegt werden. Das wäre seiner Marke nicht zuträglich.

Warum Kurz bis Sonntag seine Forderungen vermutlich durchsetzen kann: Auch bisherige "unguided missiles" wie Sobotka wissen, dass der Jungpolitiker die definitiv letzte Chance für die ÖVP ist. Die Allerletzte. Das wissen auch jene Landeschefs, die Kurz zuletzt förmlich als Heiland angebetet haben. Vorläufig stehen also die Chancen gut, dass die üblichen Verdächtigen im "Hände falten, Goschn halten"-Modus bleiben. Vorläufig. Solange alle Länder, Bünde und Kammern in der Personalliste des Hoffnungsträgers vertreten sind. Falls nicht, geht das Spiel von vorne los. (Rainer Schüller, 12.5.2017)