Wien – Neben Lukas Podolski, der rheinischen Frohnatur und dem urgewaltigen Linksfuß, und Kasia Mos, der taffen Song-Contest-Beiträgerin in Weiß, ist Polen noch Ursprungsland anderer großer Töchter und Söhne: Frédéric Chopin etwa oder Rafal Blechacz oder Jakub Sarwas. Die letzten drei waren, persönlich oder mit Werkbeiträgen, beim Konzert des ORF RSO Wien im Großen Konzerthaussaal präsent.

Zuerst präsentierte das Orchester unter der Leitung von Cornelius Meister das Werk écru von Jakub Sarwas. Mit seinem Diplomstück hat der 1977 geborene Pole 2001 den Hamburger Johannes Brahms-Kompositionswettbewerb gewonnen. Im akustischen Erstkontakt attestierte man dem viertelstündigen Werk gemischtwarenladenartige Qualitäten: Es bot von allem etwas. Drama, Elegie und Entrückung, kammermusikalische Lichtungen und dichte, dunkle Orchesterkollektivgewalt. Zurück blieb nach all dem Angebot leider nur: nichts.

Dann interpretierte Rafal Blechacz Chopins zweites Klavierkonzert, im Frack sowie in musterknabenhafter Manier. Alles ausnehmend adrett und artig hier, klangschön und edel. Man musste an Porzellanpuppen denken, Seidenschals, Teesalons, Marcel Proust und fluffige Madeleines. Auf frischen Esprit, Glanz und solistische, extrovertierte Brillanz wartete man vergebens; gehemmt etwa das Seitenthema des Kopfsatzes. Oder sollte das alles Understatement sein? Wunderschön austariert und zurückgenommen jedenfalls der langsame Satz. Der Dritte blieb blass und flach, beim ersten Thema vermisste man tänzerische Vitalität.

Kollektiv virtuos

Insgesamt sehnte man sich bei der Interpretation des 31-Jährigen nach einer persönlichen Note: Da spielt immer noch einer, der vorrangig alles richtig und schön machen will. Die Zugaben, die der Gewinner des Warschauer Chopin-Wettbewerbs von 2005 offerierte, waren Preziosen: delikat und subtil Chopins cis-Moll Walzer op. 64/2, pointiert schnurrte das Scherzo aus Beethovens A-Dur-Sonate op. 2/2 ab. Eine artistische Feindressur der Emotionen. Begeisterter Beifall dafür.

Dass sein ORF RSO Wien auch Originalklangvitalität und -flexibilität kann, das demonstrierte Cornelius Meister nach der Pause mit Haydns federnd-agil interpretierter Merkur-Symphonie in Es-Dur Hob. I/43. Wer das Kehrausstück des Abends, Franz Liszts Der Tanz in der Dorfschenke, nur in der Klavierversion als Mephisto-Walzer kannte, der stellte fest, dass das Werk als Orchesterstück nicht nur gewinnt. Freudvoller Applaus dennoch für das kollektive Mühen um Virtuosität. (Stefan Ender, 13.5.2017)