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Barcelona – Lewis Hamilton hat das Duell der Formel-1-Superstars mit Sebastian Vettel am Wochenende in dramatischer Manier wiederbelebt. Mercedes und Ferrari sind aktuell praktisch Kopf an Kopf, daher wird es in weiterer Folge vermehrt auf Details ankommen. "Diese Saison wird auch eine Entwicklungsschlacht", prophezeite Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Und ein Kampf der Strategen, möchte man ergänzen.

Mit seinem insgesamt zwölften Hattrick – Pole Position, Sieg und schnellste Runde im Rennen – demonstrierten Hamilton und seine Mercedes-Mannschaft am Sonntag, dass sein vierter Platz in Sotschi wohl eine Eintagsfliege war. Der Grand Prix von Spanien in Montmelo, oft als minder unterhaltsame Prozessionsfahrt in den Formel-1-Jahrbüchern beschrieben, entfaltete dabei die ganze Bandbreite der Motorsport-Königsklasse.

Wolff: "Unser Timing war perfekt"

Eine turbulente Startphase, packende Rad-an-Rad-Duelle, spektakuläre Überholmanöver und ausgeklügelte Strategiespielchen fesselten die Zuschauer live vor der Strecke wie auch vor den Fernsehgeräten – und machten Hoffnung, es möge in derselben Tonart weitergehen. Das Rennen werde "in die Erinnerungen eingehen als jenes, bei dem sich die Formel 1 nach Jahrzehnten der Langeweile wiederentdeckt hat", beschrieb die italienische "La Repubblica" den "GP des Adrenalin".

Hamilton und sein Team gewannen dank individueller Klasse, vollzogen aber auch strategisch den Coup des Rennens. "Unser Timing war perfekt", betonte Wolff. Als das Virtuelle Safety Car aktiviert wurde, habe die Mercedes-Strategiegruppe um James Vowles beschlossen, "das Gegenteil von dem zu tun, was geplant war, nämlich den Boxenstopp ganz am Ende des Virtuellen Safety Car zu setzen, um es für Sebastian unmöglich zu machen zu reagieren".

So schmolz Vettels Vorsprung von fast acht Sekunden "virtuell" weg. Der Deutsche konnte seinen zweiten Wechsel auf Mediumreifen erst nach der Freigabe des Rennens durchführen und hatte den auf Soft-Gummis fahrenden Hamilton dann direkt neben sich. "Ich verstehe nicht, wie wir das verlieren konnten", rätselte Vettel nach dem Rennen.

Lauda: "Das Verhältnis hat sich nicht geändert"

"Bei einem regulären Boxenstopp unter normalen Bedingungen ist der Verlust etwa 21 Sekunden, weil sich alle Autos sehr schnell bewegen. Aber unter dem Virtuellen Safety Car bewegt sich jedes Auto viel langsamer, dadurch ist der effektive Verlust durch den Boxenstopp viel geringer", erklärte Wolff, wie es dazu kam.

Details wie ein glückliches Händchen bei der Strategie könnten sich zu einem Charakteristikum der Saison entwickeln. Denn die Update-Pakete, die Mercedes und Ferrari nach Katalonien gebracht haben, geben nicht den Ausschlag. "Das Verhältnis hat sich nicht geändert. Die Autos sind genauso knapp auseinander wie vorher", stellte Team-Aufseher Niki Lauda klar. "Es ist seltsam, dass wir noch immer innerhalb einer Zehntelsekunde sind", meinte Hamilton.

Nichtsdestoweniger geht die Materialschlacht weiter. "Meine Vorhersage ist, dass diese Saison auch eine Entwicklungsschlacht wird. Wer bringt als Erster signifikante Änderungen? Wer ist in der Lage, schneller mehr Abtrieb auf das Auto zu bringen? Und wie verbessert man den Motor weiter?", sagte Wolff.

Bottas und Räikkönen im Hintertreffen

Eine andere Lehre aus dem Grand Prix von Spanien ist, dass die Team-Helferlein nicht zu den Topstars aufschließen können. Zum vierten Mal bei fünf Rennen machten Hamilton und Vettel die ersten beiden Plätze unter sich aus. Hamiltons Mercedes-Kollege Valtteri Bottas fuhr gleich nach dem Start in Ferrari-Mann Kimi Räikkönen, der sich deswegen verabschieden musste. Danach schwächelte Bottas mit einem alten Motor im Heck, hielt vor seinem Out aber Vettel noch einige Zeit auf – auch das eine (mit)entscheidende Kleinigkeit.

Die neue Formel-1-Zeitrechnung steht auch mit einem fanfreundlicheren Zugang in Verbindung, der sich den Neo-Eigentümern aus den USA verdankt. Zum telegenen Symbol dafür wurde der sechsjährige Ferrari-Fan Thomas Danel aus Amiens, der angesichts des Ausfalls von Räikkönen in Tränen ausbrach. Die Organisatoren und Ferrari reagierten prompt und brachten den Bub in den Hospitality-Bereich, wo er von dem Finnen vor einem globalen Millionenpublikum persönlich getröstet wurde. (APA, 15.5.2017)