Wien – Österreichs Medien konfrontieren ihre Leser "rund um die Uhr mit Kriminalfällen, Terror, Unfällen und Tragödien aus der ganzen Welt", sagt Maria Pernegger, "ohne hinterher jemals Entwarnung zu geben" – vor allem Boulevardmedien. Für ihren Befund hat Pernegger mit ihrer Agentur Media Affairs über 7.000 Facebook-Postings österreichischer Medien analysiert, sie mit der Printberichterstattung verglichen und Themen und Parteien zugeordnet. Veröffentlicht wurden sie im Monat März von den Onlineauftritten von "Kronen Zeitung", "Österreich", "Heute", "Presse", "Kurier" und STANDARD.

Den Alarmismus sieht Pernegger ökonomisch begründet: "Negative Nachrichten erfahren mehr Aufmerksamkeit als positive", sagt sie zum STANDARD. Media Affairs klassifiziert fast 40 Prozent der Facebook-Postings von oe24.at als beunruhigend.

Negatives Grundrauschen

Entwarnung indes gäben Medien praktisch nie. Damit zementierten sie den Eindruck, dass "alles schlechter" werde.

Die untersuchten Medien beunruhigen ihr Publikum laut Studie in sehr unterschiedlichem Maß: Im Schnitt stuft Media Affairs nur 20 Prozent der Berichte als "beunruhigend" ein. Und wie definieren die Medienanalytiker "beunruhigend"? "Stark negative, emotionale Wortwahl" und "beängstigende Inhalte" gelten als Merkmale.

Themen setzten Boulevardmedien und FPÖ im Wechselspiel, beobachtet Pernegger: "Vor allem 'Österreich' schlägt in diese Kerbe, aber auch 'Krone' und 'Heute'." Am häufigsten pushten "Krone", "Österreich" und "Heute" auf Facebook das Thema Chronik/Kriminalität. 279 von insgesamt 1.710 Beiträgen auf der Facebook-Seite von oe24.at im März ließen sich dieser Kategorie zuordnen, bei krone.at waren es 166 von 1.019 und bei heute.at 130 von 971.

"Negativnachrichten und emotional aufgeladene Inhalte ziehen", so Pernegger, die dahinter Kalkül ortet: "Journalistische Grundwerte werden über Bord geworfen", da es primär um "steigende Userzahlen" und damit höhere Werbeeinnahmen gehe.

Signifikant unterscheiden sich Themenschwerpunkte der untersuchten Medien auf Facebook: "Presse" und "Kurier" posten demnach am meisten über Innenpolitik, DER STANDARD über Außenpolitik.

FPÖ auf Facebook forciert

Media Affairs hat auch die Erwähnung von Parteien in gedruckten Zeitungen und deren Facebook-Postings gegenübergestellt. Während die FPÖ in Print im März auf einen Anteil von zehn Prozent der Erwähnungen kommt, liegt die Zuordnung bei den Facebook-Postings bei 21 Prozent. Pernegger erklärt auch das mit dem Ziel, Klicks zu generieren: "Die FPÖ ist eine Partei, die man liebt oder hasst, weil sie bewusst aneckt, provoziert, politisch nicht korrekt agiert und sich gegen das vielzitierte Establishment richtet – das sorgt für Interesse, Emotionen und Aufmerksamkeit und damit für Klicks, Kommentare, Shares, und so weiter."

Bei oe24.at lasse sich demnach eine klare "Überrepräsentanz" der FPÖ und ihres Chefs Heinz-Christian Strache belegen. 38 Prozent der politischen Berichte auf Facebook können der FPÖ zugeordnet werden. Pernegger: "Das ist verglichen mit den anderen Medien ein immens hoher Wert. In 'Heute' erreicht die FPÖ immerhin einen Marktanteil von 20 Prozent, bei 'Krone', 'Presse' und 'Kurier' liegt der Wert bei etwa 15 Prozent."

Pernegger sieht hier ein "Pingpong-Spiel": "Strache postet oe24.at-Links, oe24.at berichtet über Strache oder von der FPÖ lancierte Themen – beide profitieren." Der FPÖ-Obmann hat rund 600.000 Facebook-Fans.

"Inhaltliche Symbiose" zwischen "Krone" und FPÖ

Eine "Symbiose inhaltlicher Natur" sieht Pernegger zwischen der "Kronen Zeitung" und der FPÖ. Zumindest im März manifestierte sich eine solche aber nicht quantitativ, denn: "In Print kommt die FPÖ in der 'Krone' gerade einmal auf einen Marktanteil von etwa zehn Prozent in der politischen Berichterstattung". Es sei aber nicht von der Hand zu weisen, dass das "gewählte Themensetting der 'Krone' der FPÖ häufig entgegenkommt, vor allem dann, wenn FPÖ-Kernthemen aufgegriffen werden".

Pernegger: "Das führt regelmäßig dazu, dass die FPÖ – vor allem über die erfolgreiche Seite von Parteiobmann Strache – solche Beiträge mit hoher inhaltlicher Entsprechung teilt." Profitieren würden wiederum beide: "Die Partei fühlt sich inhaltlich bestätigt, und krone.at profitiert, wenn der Artikel auf der Seite von Strache prominent platziert ist und daher oft geklickt wird."

In einem Interview mit dem Magazin "Fleisch" schilderte Krone.at-Chefredakteur Richard Schmitt im Sommer 2016, warum er FPÖ-Themen forciere: "Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch. Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen. So ein Doppelspiel ist natürlich für die anderen Parteien gefährlich." (omark, 18.5.2017)