Oberhausen ist eine hochverschuldete Stadt, die sich nach dem Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie aber in den letzten Jahren erfolgreich zu einem Zentrum des Einkaufs- und Spaßtourismus mit Kirmes und Großaquarium entwickelt. Seit zwei Jahren regiert die CDU, darin ist die Stadt nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen vom Sonntag auf interessante Art Avantgarde. Oberhausen ist Deutschlands größte Stadt ohne Fachhochschule oder Universität. Die Kultur hat es schwer, aber das Theater ist gut. Und schon 1954 wurden hier die Kurzfilmtage ins Leben gerufen. Sie sind bis heute ein zentrales Event nicht nur für Oberhausen, sondern für den internationalen Film- und Festivalzirkus.

Khavn de la Cruz ist selbst in der an Paradiesvögeln reichen philippinischen Kinolandschaft ein Meister der Extravaganz: In Oberhausen präsentierte der Künstler seine Ausstellung "Happyland".
Foto: Allan Barberona

Khavn de la Cruz, der ohne Unterlass Filme dreht, die er meist mit "Kein Film von Khavn" zeichnet, trägt Gewänder in knalligen Farben. In seinen Arbeiten kickt mal ein Junge ein paar Minuten lang zu ebenfalls kickendem Schlagzeug eine Dose durch die Gassen eines Slums in Manila, mal geht es um Khavn selbst, mal um Gott, mal um die Welt, alles immer nah an Alltag. Im unendlich reichen Kino der Philippinen, das manchen Paradiesvogel kennt, ist Khavn jedoch noch einmal ein besonderer Fall.

khavn

In einer Retrospektive war eine schmale Auswahl aus dem Werk zu sehen. Vor allem aber hat er in eine Ausstellungshalle sein Happyland gebaut: Per Prozession mit Musik ging es vom Bahnhof in Richtung Installation. Der Oberhausener als solcher wundert sich über wenig. Mancher marschierte darum einfach mit. Ein Kugelfisch hängt in der Halle herum. Es gibt eine Slumhöhle, einen "Shit of Throne", das ist eine Toilettenschüssel mit Pappmascheekackwürsten drinnen. Alles halb so wild also. Seltsam riechen tut es in der Ausstellungshalle trotzdem.

Verbeulter Beuys

Oberhausen und Khavn: Das passt so wenig zusammen, dass die Kombination schon wieder perfekt ist. Sonst geht es bei den Kurzfilmtagen gesitteter zu. Sieht man vom ziemlich durchgeknallten Moderationsstil des Kurators Olaf Möller ab und auch von Festivaldirektor Lars Henrik Gass, dessen im balsamischen Ton vorgetragene Eröffnungsreden immer konfuser, aber auch auf ingeniöse Weise unverfrorener werden: Über fliegenden Zetteln werden die versammelten Sponsoren genauso beschimpft wie die ja wirklich haarsträubende deutsche Film(förder)politik.

Das Festival selbst ist aus Reihen und Nebenreihen gemacht, man kann so halbwegs die Übersicht behalten. Die Bandbreite war dennoch enorm, die Auswahl erfreulich undogmatisch und eklektisch: Zwischen Alex Gerbaulets und Mareike Berniens klug formstrengem Film Tiefenschärfe über die neonazistischen NSU-Attentate, Björn Speidels 3D-Experiment Rotario und Ulu Brauns faszinierender Video-Gemälde-Installation Die Herberge war Platz für so ziemlich alles, was gerade im deutschen Kurzfilm passiert.

Eine spannende Programmschiene trug den Titel "Soziale Medien vor dem Internet". Es ging um das Begehren – gegen die Massenmedien oder in ihnen – selbst zum Sender zu werden. Joseph Beuys saß in einer verbeulten Videokopie neben Nam June Paik und faselte wie stets visionären Unfug. Die Freiburger Medienwerkstatt war bei der höchst unterhaltsamen Karnevalisierung der Oberbürgermeisterwahl im Jahr 1982 zugegen. Laurie Anderson, Allen Ginsberg und John Cage spielten mit viel elektronischem Schnickschnack bei einem Silvesterevent zum Orwell-Jahr auf. Bei so viel Utopie konnte einem in Zeiten von Facebook nur warm und weh ums Herz werden. Das könnte man doch alles immer noch wollen. Wir sollten alle wieder Hippies sein! (Ekkehard Knörer, 16.5.2017)