Sebastian Kurz und Christian Kern.

Foto: APA

Wien – Die Reform der Gewerbeordnung ist vorerst gescheitert. Die Koalition hat sich darauf verständigt, die Vorlage noch einmal an den zuständigen Ausschuss zurückzuverweisen und nachzuverhandeln. Eigentlich sollte sie am Mittwoch im Nationalrat beschlossen werden, nachdem monatelang darüber verhandelt wurde.

Nun geht es einerseits darum, bezüglich des One-Stop-Shop-Prinzips für Gewerbeanmeldungen doch noch die nötige Zweidrittelmehrheit zu finden, andererseits versucht die SPÖ den einheitlichen Gewerbeschein für freie Gewerbe durchzubekommen. Diesen hatte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ursprünglich selbst angestrebt, war aber an parteiinternem Widerstand gescheitert.

Mit dem neuen ÖVP-Chef und dem neuen Wirtschaftsminister hofft die SPÖ doch noch den einheitlichen Schein durchzubekommen. Daher hat der SPÖ-Parlamentsklub Kanzler Christian Kern (SPÖ) aufgefordert, gemeinsam mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz eine Lösung zu suchen.

Bedauern bei ÖVP-Verhandler

Der ÖVP-Abgeordnete und Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner, der die Novelle mit SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter verhandelt hatte, bedauerte das zumindest vorläufige Scheitern. "Die SPÖ sieht plötzlich weiteren Handlungsbedarf, obwohl wir uns einig waren, einen guten Vorschlag zu haben", sagte Haubner. "Wir sind sehr überrascht."

"Die Verhandlungen waren abgeschlossen", erklärte Haubner. Aus seiner Sicht – diese hatte auch Matznetter in der Vorwoche noch – wäre die Novelle für eine Qualitätssicherung und eine nötige Liberalisierung gestanden. "In Wahrheit stehen wir jetzt wieder am Anfang", so Haubner. "Wir müssen schauen, ob es in dieser Legislaturperiode noch zu einer Lösung kommt. Wir sind immer zu Verhandlungen bereit."

Die Pläne, die nun wieder umgeworfen werden könnten, waren eher ein Minimalkompromiss. Sowohl die SPÖ als auch Mitterlehner wollten deutlichere Liberalisierungsschritte.

Änderungen im Wirtschaftskammergesetz, die beispielsweise zur Befreiung von Investitionen von der Kammerumlage 1 (KU 1) führen, sollten am Mittwoch im Nationalrat aber beschlossen werden, wie zu vernehmen war. Die Novelle dieses Gesetzes war im Ausschuss nicht nur von SPÖ und ÖVP, sondern auch der FPÖ beschlossen worden.

Weitreichende Reformen

Matznetter erklärte, mit dem Führungswechsel in der ÖVP ergebe sich nun die Gelegenheit, eine weitreichendere Reform zu schaffen. An sich sei das, was man mit der ÖVP verhandelt habe, ein akzeptabler Kompromiss gewesen. Doch bestehe nun die Möglichkeit, dass man den einheitlichen Gewerbeschein für die freien Gewerbe doch noch umsetzen könnte. Zudem sei der One-Stop-Shop bei den Genehmigungen ein Herzstück der Reform, und dieses hätte man am Mittwoch wegen der fehlenden Zweidrittelmehrheit nicht beschließen können.

Dabei mangelte es unter anderem an der Unterstützung der Freiheitlichen. Deren Mandatar Axel Kassegger bleibt vorerst auch bei seiner Ablehnung, da seiner Meinung nach die vorgesehenen Regelungen schlechter als der Ist-Stand gewesen wären. Zudem stieß er sich daran, dass die Zahl der reglementierten Gewerbe sogar um eines auf 81 steigen sollte. Wie die SPÖ will allerdings auch er einen einheitlichen Gewerbeschein.

Grüne wollen umfassendere Reform

Eine deutlich umfassendere Reform wollen die Grünen. Die Gewerbeordnung sei in vielen Bereichen 150 Jahre alt. Daher müsste man sie konsequent neu schreiben, meinte der Abgeordnete Matthias Köchl.

Als guten Tag sieht Neos-Klubchef Matthias Strolz den Mittwoch wegen der Rückverweisung. Immerhin werde der Unternehmergeist für einmal nicht geknebelt. Man könne nämlich nicht sagen, man wolle neue Jobs, und dann noch zusätzliche Regelungen einführen. Das Team Stronach forderte generell eine Entbürokratisierung und Rücknahme überbordender Regelungen.

Kritik am Nichtbeschluss der Gewerbeordnungsnovelle "in letzter Sekunde" kam indes von der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer. "Wichtige Regelungen für den Tourismus" seien damit nicht beschlossen worden, sagte Spartenobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher.

Auch Wirtschaftskammer- und -ÖVP-Wirtschaftsbundpräsident Christoph Leitl bedauerte die Rückverweisung in den Ausschuss. Er appellierte, doch den One-Stop-Shop im Sinne von Erleichterungen im Betriebsanlagenrecht für die Unternehmen umzusetzen. Die Grünen warnen in diesem Punkt vor einer Gefährdung von Anrainerrechten und Umweltschutz.

Dafür begrüßte Leitl Änderungen im Wirtschaftskammergesetz, die am Mittwoch sehr wohl beschlossen wurden. Die Kammerreform soll den Mitgliedern, also allen Unternehmen, ab 2019 Einsparungen bringen. Beispielsweise werden Investitionen von der Kammerumlage 1 (KU1) befreit, was die Beiträge um rund 20 Mio. Euro pro Jahr senkt. Insgesamt will die Kammer den Unternehmen rund 130 Mio. Euro weniger abverlangen. 20 Mio. Euro von dieser Summe sollten aber aus der vorerst gescheiterten Gewerbeordnungsreform durch eine Reduktion der Gewerbeberechtigungen kommen. (APA, 17.5.2017)