Nick Cave, schmauchend, und seine Band The Bad Seeds im Jahre 1996. Eben erschien eine Best-of-Sammlung der seit 1984 veröffentlichenden australischen Band.

Foto: Gullick / Mute Records

Wien – Das Ansehen solcher Veröffentlichungen ist traditionell gering. Ein Best-of-Album kaufen oberflächliche Interessenten. Für die Fans ist es eher eine Beleidigung. Fan kommt vom englischen "fanatic", dem muss man nicht mit den vermeintlichen Hits kommen. Sie schnüffeln Trüffel im Verborgenen. Rare Single-B-Seiten, Unveröffentlichtes, limitiertes Zeug – bei derlei Verheißungen schießt ihnen das Adrenalin ein, da geht ein Tröpferl ab, nicht bei einem Best-of.

Ungeachtet dieser Tatsache hat Nick Cave ein solches Album veröffentlicht. Wobei "ein Album" eine Untertreibung ist. Schließlich umfasst Lovely Creatures – The Best of Nick Cave and the Bad Seeds 1984-2014 eine Zeitspanne von 30 Jahren. Das materialisiert sich in wahlweise drei LPs oder drei CDs, wobei die CD-Boxen DVDs mit Livemitschnitten und Interviews aus diesen drei Dekaden bieten, darunter einen Auftritt in Linz aus dem Jahre Schnee, Cave gibt den Song I'm Gonna Kill That Woman. (Das hat der Fan längst auf einem Bootleg.)

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Fröhlicher Dilettantismus

Der CD-Box liegt ein Büchlein bei, das das Herz mit rarem oder unveröffentlichtem Bildmaterial rühren soll. Eine um über 100 Euro zu Buche schlagende Super-de-luxe-Version mit Kirsche on top kommt gar mit einem 256 Seiten starken Buch: ein Feuchttraum für Fans, die Karriere der Band als Fotoroman. Prächtig verwitterte Kunstleider, Existenzen zwischen Abgrund und Welterfolg, Genialität und fröhlichem Dilettantismus, die diese herrliche Kunst hervorgebracht haben.

Blöd nur, dass jene, die dem australischen Musiker seit Jahrzehnten Vinylplatten meterweise abkaufen, nun popelige Silberlinge um teures Geld erstehen müssen, um in den Genuss des prächtigen Bildbandes zu kommen. Da fühlt sich manch einer, als wäre ihm, ohne zu fragen, beigewohnt worden.

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Zusammengestellt hat die Auswahl der 59-jährige Cave mit Mick Harvey. Das ist insofern interessant, da Harvey sich 2009 aufgrund beruflicher (heißt künstlerischer) Differenzen von Cave und den Bad Seeds getrennt hat. Aber offenbar hat er bei der Verwertung des Katalogs mehr als nur ein Wort mitzureden, er überwachte zuvor bereits diverse Wiederveröffentlichungen der Band beim Label Mute.

Die Zusammenstellung von Lovely Creatures fällt dennoch wenig überraschend aus, sie ist für Cave'sche Verhältnisse stromlinienförmig. Das Versprechen "Best-of" meint hier Bekanntest-of. Songs sind dabei, die weniger Interessierte von ihrem Auftauchen in populären Filmen oder Fernsehserien kennen, und natürlich Lieder wie Tupelo, The Weeping Song oder The Mercy Seat. Da ist insgesamt kein ganz schlechter Song dabei, aber eben nichts, was ein ergebener Anhänger nicht schon in mindestens vier bis acht Versionen seit 25 Jahren zu Hause im Regal stehen hat. Andererseits ist die Nostalgie natürlich ein starkes Gefühl, da kann man schon einmal Revue passieren lassen, sich wehmütig das Hüftgold kraulen und sich dabei ertappen, wie einem altsäckisch ein "Früher war alles besser" entfährt.

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Marketingkritik

Schließlich zählen die beiden letzten Alben der Bad Seeds, das sedierende Push The Sky Away und das sich angesichts des tödlichen Unfalls von Caves 15-jährigem Sohn Arthur vor knapp zwei Jahren selbstzerfleischende Skeleton Tree, zu den schwächsten dieser illustren Formation.

Da tut es gut, sich ein wenig an die Klasse dieser Band zu erinnern, wenngleich es dafür keine Veröffentlichung wie Lovely Creatures gebraucht hätte. Vielleicht hätte es das Buch allein getan. Aber das ist natürlich Marketing- und keine Kunstkritik. Mag jede und jeder selbst entscheiden. Beim Konzert am 1. November in der Wiener Stadthalle stehen sowieso wieder alle geschlossen im Saal. Muss ja. (Karl Fluch, 17.5.2017)