Was ist das eigentlich für eine Partei, die früher ÖVP hieß und jetzt Liste Kurz – die neue Volkspartei? Sind das Christdemokraten? Konservative? Neoliberale? Rechtspopulisten? Ist die Gruppierung eine neue Bewegung oder doch eine Traditionspartei im neuen Gewand? Ähnelt ihr neuer Chef Sebastian Kurz eher dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron oder dem ungarischen Premier Viktor Orbán? Vorderhand kann sich noch jeder sein eigenes Bild von dem neuen Mann machen, der da nach dem Kanzleramt greift.

Alle sagen, dass die traditionelle Unterscheidung politischer Parteien in rechts und links nicht mehr gilt. Macron gewann die Wahl in seinem Land mit der Losung "Nicht rechts, nicht links". Staatssekretär Harald Mahrer nannte die Kurz-Bewegung "die breite Mitte". Und selbst die in der EU übliche Einteilung in politische Familien hilft dem verwirrten Wähler nicht wirklich weiter. Da gibt es Christdemokraten und Sozialdemokraten. Die Ersteren finden sich in der Europäischen Volkspartei wieder. Aber was hat das noch zu bedeuten? Was haben Angela Merkel und Jaroslav Kaczinski, beide formell Parteifreunde, miteinander gemein? Und auf der anderen Seite Politiker wie Heinz Fischer und der slowakische Premier Robert Fico, die sich beide Sozialdemokraten nennen?

Bei Sebastian Kurz ist man auf äußere Charakteristika angewiesen. Er ist, wie Macron, jung und fesch. Er will nicht nur Leute mit Parteibuch, sondern auch Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft in seiner Parlamentsfraktion haben. Er fischt im Teich der Neos und der Griss-Wähler. Er wünscht sich, Prinzip Reißverschluss, mehr Frauen im Team. Das klingt liberal. Aber er bewundert und unterstützt Viktor Orbán wegen dessen harter Linie in der Flüchtlingsfrage. Er hat offenbar keine Berührungsängste mit der FPÖ, die hierzulande offiziell rechtspopulistisch genannt wird, in Frankreich und Deutschland aber eindeutig als rechtsextrem bezeichnet werden würde. Das Wort Europa und Europäische Union hat man von ihm selten gehört. Also doch eher rechts?

Aber auch in der anderen ehemals großen Traditionspartei, der SPÖ, sind die Dinge in Bewegung geraten. Bundeskanzler Christian Kern bietet, wie Kurz, das äußere Erscheinungsbild eines smarten Bildungsbürgers. Auch er umwirbt die Liberalen, tut etwas für Start-ups, mittelständische Unternehmer, Kreative, richtet eine Werbekampagne gezielt an die Mittelschicht. Und wer in die unteren Parteiränge blickt, kann kaum verstehen, wie zwei Persönlichkeiten wie Michael Häupl und Hans Niessl in derselben Partei zu Hause sein können. Nicht ohne eine gewisse Nostalgie erinnern sich ältere Österreicher an die Zeiten, als der Karikaturist Gustav Peichl die Roten mit Schildmütze und drei Pfeilen und die Schwarzen für jedermann kenntlich mit Steirerhut und Gamsbart darstellen konnte. Und die FPÖler mit germanischem Wikingerhelm.

Die neue ÖVP ist weniger schwarz und die neue SPÖ weniger rot als früher. Aber die FPÖ ist geblieben, was sie immer war. Die Franzosen haben bei der jüngsten Wahlauseinandersetzung vor allem für ein demokratisches und weltoffenes und gegen ein undemokratisches und chauvinistisches Frankreich gestimmt. Das war wichtiger als Rot gegen Schwarz. Man würde wünschen, dass es im Herbst in Österreich ähnlich liefe.(Barbara Coudenhove-Kalergi, 17.5.2017)