Bedenken, dass es nach der Wahl am 15. Oktober zu einer schwarz-blauen Koalition und zu Unmut darüber in der EU kommen könnte, weist der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP) im STANDARD-Interview zurück: "Ich hoffe, das Ausland hat aus dem Verhalten von Anfang 2000 gelernt, sich nicht mehr einzumischen in das, was in einem Land entschieden wird." Ein solches Vorgehen wäre weder "zulässig" noch "opportun": "Das ist schon unsere Sache hier in Österreich", so Kopf.

STANDARD: Wie wollen Sie angesichts der anstehenden Neuwahlen sicherstellen, dass der U-Ausschuss zu den Eurofightern nicht zur Wahlkampftribüne verkommt?

Kopf: Im U-Ausschuss-Saal kann ich als Vorsitzender auf Basis der Verfahrensordnung gemeinsam mit dem Verfahrensanwalt dafür sorgen, dass es zu keiner ungebührlichen Behandlung von Auskunftspersonen kommt. Bei unzulässigen Fragen wiederum habe ich auch den Verfahrensrichter an meiner Seite, um darüber abzuwägen. Aber eines ist klar: Ein U-Ausschuss ist kein Gerichtssaal, sondern natürlich eine politische Bühne – und insofern ist vieles, was dort geschieht, oft entsprechend motiviert.

STANDARD: Zuerst steht die Untersuchung des umstrittenen Vergleichs an, den Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) mit dem Eurofighter-Hersteller Airbus, einst EADS, geschlossen hat. Wenn auch Ihre Partei dieses Verlustgeschäft genüsslich ausschlachtet, wird das nun äußerst knapp bemessene Gremium wohl kaum mehr zu den fragwürdigen Zahlungsflüssen nach der Anschaffung unter Schwarz-Blau kommen?

Kopf: Derzeit verhandeln alle sechs Fraktionen einen neuen Fahrplan mit zusätzlichen Terminen aus, weil eben auch das zweite Kapitel noch behandelt werden soll – und die Ladungsliste wird ohnehin auf Begehren der blau-grünen Minderheit im Parlament beschlossen, das können die Regierungsparteien praktisch nicht beeinflussen. Einzig die Terminfindung mit den Auskunftspersonen könnte Thema werden.

STANDARD: Weil es gegen Ende eines jeden U-Ausschusses plötzlich zum Zeugenschwund kommt und die Auskunftspersonen angeblich verhindert sind. Was tun gegen solche Obstruktionen?

Kopf: Dieses Dilemma ist uns bewusst. Das Problem lässt sich aber letztendlich nicht lösen – weil man einen U-Ausschuss einfach nicht ad infinitum fortführen kann, im Fall der vorzeitigen Beendigung der Legislaturperiode erst recht nicht.

"Ich kann nur zur Zurückhaltung mahnen": Karlheinz Kopf über das mögliche freie Spiel der Kräfte im Parlament.
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STANDARD: Zur hinfälligen Koalition: Laut Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern wird eine rot-schwarze Regierung lange nicht mehr möglich sein, wie es nun aussieht. Sind Sie seiner Meinung – oder ist da auch viel Theaterdonner dabei?

Kopf: Die lange gemeinsame Regierungszeit barg natürlich auch ein enormes Frustrationspotenzial, und das steigert sich mitunter zu persönlichen Aversionen. Deswegen kam es ja schon mehrmals zu vorzeitigen Beendigungen von Koalitionen. Jetzt ist noch einmal so ein Kulminationspunkt erreicht worden, weil sich zuvor zu viel aufgestaut hat – und ja, Rot-Schwarz ist jetzt noch einmal ein Stück unwahrscheinlicher geworden. Und was sich eben auch zeigt: Offensichtlich schließen beide Parteien eine Koalition mit der FPÖ nicht aus.

STANDARD: Die SPÖ überlegt immerhin noch, weil sie ihren Kriterienkatalog für mögliche Regierungspartner noch nicht fertig hat.

Kopf: Ich gehe davon aus, dass es eine Zuspitzung zwischen Kern und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz geben wird – ob es dann tatsächlich zu einen Dreikampf mit dem FPÖ-Chef kommt – dazu kann ich noch gar keine Einschätzung abgeben, so vieles ist in Fluss.

STANDARD: Ein Argument aus der ÖVP für frühere Neuwahlen war, dass Österreich im Herbst 2018 den EU-Vorsitz bestreiten müsse. Glauben Sie, dass die Europäische Union mit einem schwarz-blau regierten Österreich Freude hätte?

Kopf: Ich habe nicht die Absicht, so gern Sie das auch hätten, nur diese eine von womöglich mehreren Koalitionsoptionen breit zu diskutieren – und ob darüber jemand aus dem Ausland eine Freude hätte. Ich hoffe, das Ausland hat aus dem Verhalten von Anfang 2000 gelernt, sich nicht mehr einzumischen in das, was in einem Land entschieden wird.

STANDARD: Weil?

Kopf: Weil es nicht zulässig ist, nicht opportun ist. Das ist schon unsere Sache hier in Österreich.

STANDARD: Ist Außenminister Kurz tatsächlich so ein Wunderwuzzi, wie die ÖVP tut?

Kopf: Er ist jedenfalls eine herausragende Politikerpersönlichkeit – und das respektieren viele Menschen im Inland, aber auch Persönlichkeiten aus dem Ausland, wenn ich etwa an seine Auftritte in deutschen Medien denke. Insofern ist er für viele Leute auch ein Hoffnungsträger für die ÖVP und darüber hinaus. Deswegen hätte er aus meiner Sicht auch das Zeug, das Land als Kanzler zu führen.

STANDARD: Aber doch nicht mit ähnlichen Durchgriffsrechten wie nun in der ÖVP und Personenkult?

Kopf: Im Kanzleramt gelten freilich die Gesetze der Verfassung und gesetzliche Spielregeln, an die sich ein Regierungschef halten muss. An denen wird auch Sebastian Kurz mit Sicherheit nicht rütteln, sondern sein Amt auf Basis der Verfassung ausüben – aber auch so weit sind wir ja noch nicht. Aber innerhalb der ÖVP haben Gott sei Dank viele erkannt, dass es angesichts der vielen verschiedenen Interessengruppen nicht so bei uns weitergehen kann. Und Kurz' Öffnung zu einer Bewegung ist eine Antwort darauf.

"Ein U-Ausschuss ist kein Gerichtssaal, sondern natürlich eine politische Bühne", sagt Kopf.
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STANDARD: Diese Öffnungsbestrebungen gab es in der ÖVP immer wieder. Doch werden die Bünde und die Länder tatsächlich auf lange Sicht ihre Macht abgeben?

Kopf: Das werden wir sehen. Eine Partei ist – unabhängig der Statuten – immer ein Gemeinschaftswerk. Die Führungsarbeit besteht aus einer Mischung aus formalen und sozialen Kompetenzen. Wer sich nur aufs Formale konzentriert, kann keine Organisation leiten. Leadership, der in der Struktur aber Fesseln angelegt werden, funktioniert auch nur bedingt. Kurz hat die richtige Ansage gemacht und dafür eine hundertprozentige Zustimmung erhalten.

STANDARD: Wenn er am Wahltag nicht Erster ist, schaut doch alles aber wohl wieder ganz anders aus?

Kopf: Darüber denke ich jetzt nicht nach. Wie Sie wissen, bin ich Präsident eines Fußballklubs. Vor einem Altach-Spiel mache ich mir auch keine Gedanken darüber, was ist, wenn wir verlieren. Das mache ich danach. Und lieber freue ich mich über einen Sieg.

STANDARD: Die Gefolgschaft wurde jedem neuen ÖVP-Chef versprochen. Vier verschlissene Obmänner innerhalb von zehn Jahren sprechen eine andere Sprache.

Kopf: Sebastian Kurz glaubt daran, dass es jetzt anders sein wird – ich auch.

STANDARD: Ist der Vizekanzler derzeit so ein undankbarer Job, dass ihn Kurz lieber nicht annimmt?

Kopf: Es ist die logische Konsequenz in dieser Situation, die heikel genug ist, dem Kanzler mit Justizminister Wolfgang Brandstetter jemanden vis-à-vis zu setzen, der bisher schon verbindet und fast mediatorisch ist, um so sicher zu stellen, dass es kein zusätzliches Konfliktpotenzial gibt. Damit ist die Chance größer, noch Punkte aus dem Regierungsprogramm umzusetzen.

STANDARD: Die Koalition ist gescheitert, dringende Projekte stehen an: Sind Sie für ein freies Spiel der Kräfte im Parlament?

Kopf: Ich war Teilnehmer der Sitzung am 24. September 2008 – und ich erinnere mich mit Schaudern an diese Sitzung. Der Verlauf war total chaotisch, es wurden sogar sich widersprechende Anträge mit unterschiedlichen Mehrheiten beschlossen. Das darf sich nicht wiederholen.

STANDARD: Das kann ja jetzt besser laufen.

Kopf: Dann bedenken Sie auch die Kosten, die damals daraus gewachsen sind. Der Finanzminister hat Milliarden hochgerechnet. Auch das darf sich nicht wiederholen. Ich kann nur zur Zurückhaltung mahnen.

STANDARD: Ständig richten sich SPÖ und ÖVP Gemeinheiten aus, die Koalition ist am Ende, Neuwahlen kommen – und dann wollen beide Parteien miteinander Reformen machen. Glauben Sie, dass das noch verstanden wird?

Kopf: Ist es umgekehrt vernünftig, wenn viele Jahre zusammengearbeitet wird und man sich in der Scheidungsphase bis zur Gerichtsverhandlung, der Wahl, gegenseitig die Dinge um die Ohren haut? Keine Partnerschaft verdient so ein Ende. (Peter Mayr, Nina Weißensteiner, 17.5.2017)