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Wann auch die Zinsen wieder in die Höhe klettern, wird in dem Haus im Hintergrund entscheiden: dem EZB-Tower in Frankfurt.

Foto: Daniel Roland

Frage: Warum ist es für Sparer und Anleger so wichtig, wie hoch oder tief die Leitzinsen gerade sind?

Antwort: Weil dieser Leitzinssatz beeinflusst, wie hoch die Zinsen für Spareinlagen sind und wie teuer Kredite vergeben werden.

Frage: Ist dafür nur der Leitzinssatz, wie ihn etwa die Europäische Zentralbank, die US-Notenbank Fed oder die Bank of England festsetzt, wichtig?

Antwort: Nein. Im kurzfristigen Bereich spielt der Euribor (Euro Interbank Offered Rate) als Referenzzins eine noch wichtigere Rolle. Der Euribor ist der Zinssatz, zu dem sich die Banken untereinander kurzfristig (von einer Woche bis zu zwölf Monaten) Geld borgen oder ausleihen. Dieser Zins dient häufig als Referenz für Anlageprodukte sowie Kredite und Darlehen mit variabler Verzinsung.

Frage: In den USA hat die Fed die Zinsen bereits wieder etwas angehoben. Was hat sich damit verändert?

Antwort: Die Fed hat für heuer noch zwei Zinsschritte signalisiert. Nach drei aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen "war in der Vergangenheit eine negative Kursreaktion bei US-Aktien und Anleihen zu beobachten", sagt Susanne Höllinger, Vorstandsvorsitzende der Kathrein Privatbank. Aber selbst nach vier Zinsschritten wären die amerikanischen Leitzinsen noch weit von den "normalen" Niveaus entfernt.

Frage: Wann wird erwartet, dass die EZB an der Zinsschraube dreht?

Antwort: Das ist noch offen. Experten gehen davon aus, dass es heuer noch nicht so weit sein wird. Erwartet wird, dass die EZB gegen Jahresende ankündigt, dass sie ihre lockere Geldpolitik (Ankauf von Anleihen) auslaufen lässt. Bleibt die wirtschaftliche Entwicklung in Europa stabil, könnte es kommendes Jahr erste Zinsanhebungen geben. "Die EZB kommt diesbezüglich aber unter Druck, weil die Inflation steigt", sagt Höllinger. In Deutschland lag die Inflation im Jänner bereits bei 1,9 Prozent – ein Wert von knapp unter zwei Prozent gilt als erklärtes Inflationsziel der EZB. Stoppt die EZB ihre Anleihenkäufe, könnten die Anleihenkurse darunter leiden und das sehr tiefe Renditeniveau wieder steigen.

Frage: Warum spielt die Inflation hier auch eine Rolle?

Antwort: Die leicht anziehende Inflation bedeutet, "dass Sparer in Europa real Geld verlieren, weil die Inflation die Zinsen auffrisst", erklärt Höllinger. Damit sinkt die Kaufkraft. Kreditnehmer hingegen können sich freuen, sie können Geld aufnehmen, das real (nach Abzug der Inflation) weniger wird.

Frage: Was bedeuten steigende Zinsen für Sparer und Anleger?

Antwort: Sparer können aufatmen, weil mit steigenden Leitzinsen auch die Zinsen für Sparprodukte wieder ansteigen. Da der Zinssatz derzeit aber bei null liegt und davon auszugehen ist, dass die EZB die Zinsen in einem ersten Schritt wohl nur um 0,25 Prozent anheben wird, wird es noch lang dauern, bis der Zinssatz wieder über der Inflation (derzeit rund zwei Prozent) liegt und Geld auf dem Sparbuch wieder Ertrag bringt. Dafür werden die Kredite auch nur langsam teurer.

Frage: Und was bedeuten steigende Zinsen für Aktien/Anleihen oder Versicherungsprodukte?

Antwort: "Sichere Staatsanleihen bleiben angesichts der niedrigen bzw. negativen Renditen unattraktiv", sagt Höllinger. Der US-Dollar hat kurzfristig bereits aufgewertet, hier wird nur noch beschränktes Aufwärtspotenzial etwa gegenüber dem Euro erwartet. Solange die Zinsen nicht wieder über der Inflation liegen, haben es Versicherer vor allem mit Produkten schwer, die einen hohen Garantiezinssatz haben.

Frage: Normalerweise sind die Zinsen höher als die Inflation – derzeit ist es umgekehrt. Es gibt sogar negative Zinsen. Wie kommen diese zustande, und was bedeutet das?

Antwort: "Die niedrigen und teils negativen Zinsen sind ein Experiment der EZB, verbunden mit dem Versuch, den Konsum und die Investitionstätigkeit anzukurbeln", sagt Höllinger. Die Notenbanken haben auch versucht, mit dem massiven Ankauf von Anleihen die Zinsen auf längere Laufzeiten zu senken.

Frage: Immer wieder ist von einem langen Ende der Zinskurve zu hören und von einem kurzen Ende. Was bedeutet das eigentlich?

Antwort: Wenn man von kurzem oder langem Ende einer Zinskurve spricht, dann vergleicht man Zinssätze bei kurzen Laufzeiten (z. B. ein bis drei Jahre) mit Zinssätzen bei längerer Bindung (z. B. sieben bis zehn Jahre). Üblicherweise ist bei längerer Bindung ein höherer Zinssatz zu erzielen. Eine längere Laufzeit bedeutet auch höheres Risiko, und daher verlangen Investoren einen höheren Zins.

Frage: Was bedeutet es für Firmen, wenn die Leitzinsen wieder steigen?

Antwort: "Steigen die Zinsen, zeigt sich, wie gut die Investitionen der Unternehmen tatsächlich waren", sagt Höllinger. Oder wie es Starinvestor Warren Buffett einst sagte: "Erst wenn die Ebbe kommt, sieht man, wer keine Badehose anhat." Prinzipiell bedeuten höhere Zinsen auch für Unternehmen eine Verteuerung ihrer Kredite. Ist die Fremdkapitalquote in einem Unternehmen hoch, belasten die steigenden Kosten für die Verschuldung die Unternehmensgewinne. Das Gewinnwachstum könnte darunter leiden, was wiederum als schlechtes Signal für die Aktienmärkte gilt. Unternehmen sind laut Höllinger heute aber niedriger verschuldet als vor der Krise und gelten daher als gut gerüstet für höhere Zinsen.

Frage: Und für Staaten?

Antwort: Für Staaten bedeuten steigende Zinsen, dass die Kosten, zu denen ein Staat Geld am Kapitalmarkt aufnehmen kann, steigen. Einzig für den Fiskus sind steigende Zinsen ein Vorteil, weil damit die Einnahmen aus der Kapitalertragssteuer steigen. (Bettina Pfluger, 21.5.2017)