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Jalalabad am Mittwoch: Rauch über dem Gebäude des staatlichen Fernsehens. Vier Selbstmordattentäter sprengten sich in die Luft.

Foto: Reuters/Parwiz

Wien – Afghanistan sei nicht sicher, Abschiebungen dorthin seien lebensgefährlich, sagten am Mittwoch Vertreter von afghanischen Exilvereinen sowie Flüchtlingshilfsinitiativen vor der Presse in Wien. Im Gegenteil, die Sicherheitslage verschlechtere sich zusehends, sagte Michael Genner, Obmann des Vereins Asyl in Not, unter Hinweis auf die häufigen Attacken und Selbstmordanschläge von Islamisten – am Mittwoch etwa auf das Gebäude des staatlichen afghanischen Fernsehens in der Stadt Jalalabad. Zehn Menschen starben.

Um gegen die seit mehreren Monaten verstärkten Rückführungen zu protestieren, kündigte Genner im Namen der Plattform für eine menschliche Asylpolitik für Samstag eine Demonstration um 14 Uhr auf dem Karlsplatz in Wien an.

Mehr Alkoholkonsum und Suizidankündigungen

Mit ihr soll auch auf den Druck hingewiesen werden, den die Abschiebungen in der mit 35.000 Menschen im EU-Vergleich großen afghanischen Community in Österreich verursachen. "Unter unseren afghanischen Bewohnern haben Alkoholkonsum und Suizidankündigungen zugenommen", sagte Sonia Feiger vom Verein Shalom Aleikum, Jewish Aid for Refugees, der ein Flüchtlingswohnprojekt betreibt.

Tatsächlich wurden seit Jahresbeginn laut Innenministerium bereits 207 Personen zwangsweise aus Österreich nach Afghanistan zurückgebracht, in Linien- und Sammelflügen. 102 Personen seien freiwillig zurückgekehrt, nach Beratung über ihre Perspektiven.

Sammelflüge aus Deutschland

Im Vergleich zum weit größeren Deutschland, wo aus zehn von 16 Bundesländern Afghanistan-Abschiebungen stattfinden, erscheinen die österreichischen Rückführungszahlen beträchtlich. Aktuelle Anfragen der Linken im Berliner Bundestag ergaben, dass zwischen Dezember 2016 und Anfang April 2017 aus ganz Deutschland 92 Afghanen in vier Sammelflügen zurückgebracht wurden.

Innerhalb der EU, die im Herbst 2016 ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan geschlossen hat, wird zurzeit auch aus Skandinavien verstärkt rückgeführt.

Nach Abschiebung erschossen

Laut dem Sprecher der deutschen Hilfsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp, verdichten sich Hinweise, dass ein am 14. Februar aus Deutschland nach Afghanistan zurückgebrachter 19-Jähriger am 10. Mai von den Taliban erschossen wurde. Sein Vater soll unter der sowjetischen Besatzung Afghanistans in den 1980er-Jahren als General gegen religiöse Extremisten gekämpft haben.

In österreichischen Asylverfahren werden Familien wie diese als "Risikofamilien" bezeichnet, da deren Angehörige von den Taliban gezielt getötet werden. (bri, 18.5.2017)