Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst auf der Bühne der Wiener Arena.

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Die halbe Miete fährt schon Michael Krammer ein. Der ist Gitarrist bei der Band Bilderbuch und spielt seine Stromgitarre auf eine Art, für deren Beschreibung meist Vergleiche aus dem Reich der Tiere oder Youporn herhalten. Bleiben wir kindsgerecht und nennen es affengeil.

Dabei ist es ein schmaler Grat, auf den er sich da auf der Open-Air-Bühne der Wiener Arena begibt. Denn fällt das geil vom Affen, bleibt affig über. Doch das passiert Krammer nicht. Dabei sind Spiel und Gebaren von einer Extrovertiertheit, die an schröckliche Zeiten erinnert. An Brian May, den Queen-Gitarristen mit der Königspudellocke, an den pastellfarbenen 1980er-Funk zuzeiten von "Miami Vice".

Bloß dass sich Krammer gegen Schulterpolster und Lockenwickler entschieden hat, Punk kennt. Er wäre, und das zeigt sich am ersten von drei Konzerten in der Arena, fähig, die Show zu tragen.

Da ist Maurice Ernst noch nicht erwähnt, der Sänger und Teilzeitgitarrist der Band. Er ist der Sexgott des Quartetts. Ein übersteuerter Narziss, der seine Texte mit großer Lässigkeit in Codes verwandelt, angesiedelt zwischen Wortwitz und Albernheit, wissend, dass das Gefühl, das sie transportieren, entscheidender ist als ihre Bedeutung.

Titel wie "Baba 2", "Bungalow" und "Spliff" klingen nicht gerade nach Doktorarbeit. Doch so, wie sie Ernst und seine Band überzüchten und abliefern, erblüht eine Kunst, die es hierzulande noch nicht gegeben hat. Und komm mir keiner mit dem albernen Falco, schnarch.

Das Publikum reagiert auf Ernsts Ankündigung "Willkommen zu unseren Wiener Festwochen" entsprechend, würde sich vor der Band in den Staub werfen, wenn es Platz dafür gäbe. Aber nicht. Ausverkauft, drei Tage hintereinander.

Floskeln und Herzblut

Entsprechend festiv gestaltet sich der Abend, wenngleich Bilderbuch vier Songs brauchen, um auf Betriebsgeschwindigkeit zu kommen. Die Band aus Kremsmünster befindet sich auf ihrer Magic-Life-Tour. Auch dieser Titel ihres vierten Albums ist eine dieser frechen Aneignungen von Bilderbuch, die damit quasi in afroamerikanischer Tradition einen Begriff in etwas transferieren, das plötzlich sexy wird. Die Floskel eines Reiseveranstalters wird mit Herzblut und Leidenschaft geflutet, nicht umsonst wird Bilderbuch nachgesagt, ein Lebensgefühl zu transportieren.

Aktuell erfahren die vier Jungs Unterstützung von zwei des Gesangs und der Überzeugungskraft des Soul mächtigen Damen, die den übersteuerten, oft ein wenig zerrissenen Funk-Rock des Quartetts mit ihrer Kunst kitten. Ab "Gigolo", dem fünften Song, kommt die Show in Fahrt. Davor gestaltet sich die Entblößung des Bühnenhintergrunds als Höhepunkt.

Vor "Sneakers4free" gibt ein Vorhang Hunderte weiße Kaspackeln als dekoristischen Höhepunkt frei. Ab dann ziehen Krammer, Ernst, Schlagzeuger Philipp Scheibl und Bassmann Peter Horazdovsky die Schrauben langsam an.

Japsender Funk

Band und Publikum sind willig, der japsende Funk eines Justin Timberlake schwebt als Geist über der Darbietung, Ernst gibt den koketten Animateur. Ein Talent, manchmal etwas nervig, mit dem er im anderen Magic Life sofort einen Job bekäme.

Bilderbuch reichen satten Bubblegum-Funk ("Investment 7") oder eben ihre Hausmarke mit Hits wie "Bungalow", "Barry Manilow" oder "Willkommen im Dschungel".

Möchte man an dem Abend unbedingt etwas bekritteln, böte sich der Song "Superfunkypartytime" an, der ein wenig nach schwachbrüstigen Red Hot Chili Peppers klingt. Aber das wäre kleinlich. Denn selbst wenn der Song nicht überzeugt, seine Message beschreibt ja doch das Gefühl des Abends. (Karl Fluch, 18.5.2017)