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Sylvie Goulard wird Frankreichs neue Verteidigungsministerin – und damit von Präsident Emmanuel Macron mit dem viertwichtigsten Regierungsposten betraut.

Foto: AP/Francois Mori

Schon wird sie mit der deutschen Verteidigungsministerin verglichen und als "französische Ursula von der Leyen" bezeichnet. Dass die beiden Kernländer Europas ihre Armeen von Frauen leiten lassen, ist bemerkenswert. Auch gibt es durchaus Parallelen zwischen Sylvie Goulard und ihrer Kollegin jenseits des Rheins: Beide gelten als liberal-christdemokratisch, aber nicht unbedingt als Militärexpertinnen. Jedoch stammt Goulard nicht aus noblem Hause, sondern aus der volkstümlichen Hafenstadt Marseille. Von dort bringt sie ein für den Job wohl förderliches starkes Temperament mit.

Die dreifache Mutter und Absolventin der Pariser Eliteschule ENA verfügt über solide Ansichten und ein ebensolches Mundwerk. In der Zeitung "Le Monde" meinte ein anonymer Berufskollege gar, Goulard sei alles andere als diplomatisch und neige dazu, die Leute von oben herab zu behandeln. Für eine durchsetzungsstarke Armeechefin ist das allerdings nicht unbedingt ein Nachteil.

Wer die 52-jährige Juristin schon in Europa-Debatten erlebt hat, muss einräumen, dass sie ihre Standpunkte notfalls auch vehement einzubringen weiß – und zwar genauso auf Französisch wie auf Deutsch, Englisch oder Italienisch. Europa ist wohl ihre Leidenschaft. Die gut vernetzte EU-Abgeordnete gehört zur Alde-Fraktion des belgischen Liberalen Guy Verhofstadt. Von 2001 bis 2004 war sie in Brüssel politische Beraterin des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi – dessen komplizierte Gedankengänge sie gegenüber Journalisten auszudeutschen wusste.

Jahrelange und sehr enge Beziehungen pflegt Goulard nach Berlin, wo sie Finanzminister Wolfgang Schäuble nahesteht. Für Neopräsident Emmanuel Macron, dem sie sich sehr früh angeschlossen hatte, organisierte sie ein Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Noch wichtiger: Sie überzeugte den Christdemokraten François Bayrou, nicht selber für den Élysée-Palast zu kandidieren, sondern Macron zu unterstützen.

Wichtiger Posten

Frankreichs neuer Staatschef dankte es ihr nun fürstlich: Er betraut sie mit dem viertwichtigsten Regierungsposten – und dem wichtigsten auch, den er einer Frau übertrug. Die Medien hatten Goulard eher in einem subalternen EU-Staatssekretariat gesehen.

Als Verteidigungsministerin muss die energische Proeuropäerin die zahlreichen Militäreinsätze Frankreichs organisieren und koordinieren. Es sind sehr schwierige und dazu auch sehr politische Missionen. Nach den schweren Terroranschlägen von 2015 und 2016 beteiligt sich die französische Armee mit Tausenden von Soldaten an der Einhaltung des Ausnahmezustands, was in den Militärpatrouillen in Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Orten sichtbar bleibt. In Syrien und dem Irak beteiligt sich die französische Luftwaffe an den Einsätzen gegen die IS-Milizen. Und in der Sahelzone versucht die Operation "Barkhane" seit 2014, die Rückkehr der Wüsten-Jihadisten zu verhindern und damit das strategisch wichtige Mali abzusichern.

Schon am Freitag will Goulard mit ihrem doppelten Vorgesetzten Macron – er ist als Staatspräsident von Verfassung wegen auch oberster Armeechef – die französischen Soldaten in Mali besuchen. Dort wird die Ministerin ihren europäischen Überzeugungen nachleben können: Die deutsche und französische Regierung wollen die EU-Mission für die Ausbildung malischer Soldaten und Polizisten gemeinsam aufwerten, um diesen Brandherd des westafrikanischen Jihadismus nachhaltig einzudämmen.

Nato-Gipfel als Nagelprobe

Eine Woche später wird die neue Verteidigungsministerin am Nato-Gipfel in Brüssel zu ihrer diplomatischen Nagelprobe erwartet. Hinter den Kulissen geht es auch um den Aufbau einer europäischen Kommandozentrale für gemeinsame Militäreinsätze.

Zwischen den renitenten Briten und den zustimmenden Deutschen kommt der Position Frankreichs eine zentrale Rolle zu. Das gilt auch generell für die Zukunft der europäischen Sicherheit, wenn US-Präsident Donald Trump den Alten Kontinent mehr sich selber überlassen will.

Zu Hause muss Goulard eine Armeereform dirigieren. Macron hat versprochen, den Verteidigungsetat auf zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes, umgerechnet von 32 auf 50 Milliarden Euro, zu erhöhen. Von Goulard wird man deshalb noch viel hören. (Stefan Brändle aus Paris, 18.5.2017)