Demnächst ist es auch schon wieder eine Woche her, dass Sebastian Kurz die Volkspartei revolutioniert hat. Nach anderen Meinungen hat er sie nach dem Motto "Ich oder das Chaos" im allerletzten Augenblick vor dem definitiven Untergang gerettet. Aber das eine schließt das andere nicht unbedingt aus – es kann ja auch keine von beiden Varianten zutreffen. Als erste Reaktionen waren eine Gratulation des Gesinnungsfreundes Viktor Orbán und die spontan plakatierte Schreckreaktion des Brillenträgers Strache zu verzeichnen, der den putschistischen Elan des konservativen Revoluzzers mit solider Abgestandenheit zu kontern versucht: "Auf ihn kann Österreich immer zählen ..." Was Österreich nur noch nie in Anspruch genommen hat.

Von dem ihm nachgeworfenen Durchgriffsrecht auf alles und jedes machte Kurz gleich zweimal in eigener Sache Gebrauch, einmal mit seinem Rückzug als Obmann der Jungen ÖVP, das andere Mal mit dem Nein zu der Zumutung, für das Amt des Vizekanzlers zur Verfügung zu stehen.

Intrigant wie Lopatka

Für die Beförderung eines anderen in diese ungeliebte Funktion und in die des neuen Wirtschaftsministers musste er von seiner neuen Machtfülle keinen intensiven Gebrauch machen. Und beim ersten Versuch, sein personales Durchgriffsrecht intrigant wie sonst nur Lopatka auf die Neos auszudehnen, zeigten sich rasch dessen Grenzen: Da gibt es doch – was längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist – tatsächlich noch Personen in der österreichischen Politik, die ihr Mäntelchen nicht nach dem ersten Lüftchen hängen, vor allem aber, die Kurzens Charme problemlos widerstehen. Dass der eben auf den Schild gehobene Obmann den Ruf ankratzt, den sich die ÖVP als die Wirtschaftspartei schlechthin traditionell verpasst, indem er anderswo nach einem neuen Wirtschaftsminister fahndet – in diesem Fall bei den Neos: So dürften sich nicht alle eine Öffnung der Volkspartei vorstellen, die Kurz den Freibrief dafür ausgestellt haben. Wenigstens weiß der Wirtschaftsminister, der nun doch aus den Reihen der Volkspartei kommt, dass er für Kurz zweite Wahl ist.

Die Ausschaltung der Partei und ihre Darstellung als "Bewegung", aus der Kurz seinen Ruhm als Erlöser zu beziehen gedenkt, wird es hoffentlich nicht geben. Ihre Vortäuschung ist eine Propagandablase, die seine ohnehin längst vorgesehene Rolle als Zugpferd im Wahlkampf verstärken, vor allem aber der ÖVP ermöglichen soll, die in Österreich vorhandene Sehnsucht nach einem starken Mann abzuschöpfen, der die mühsamen Spielregeln der – in diesem Fall innerparteilichen – Demokratie hinter sich lassen kann. Hauptsache, die Partei finanziert ihn.

Es ist charakteristisch für die sieben Punkte von Kurzens Partei-"Reform", dass alle auf die Machtfülle eines Führers abstellen, und nicht einmal das – nicht neue – Reißverschlusssystem Verbesserungen für Frauen garantiert, solange einer den totalen Durchgriff auf die Listen hat. In der Etablierung einer "Liste Kurz" noch vor der Partei kommt dies gut zum Ausdruck. Jetzt sollte Kurz sein Genie nur noch mit Inhalten auffüllen. Das bisher Gebotene ist banal rechtskonservativ. (Günter Traxler, 18.5.2017)