Demonstration von Glyphosat-Gegnern vor dem Brandenburger Tor in Berlin: Deutschland hat sich wie Österreich bei der schon im Vorjahr angestandenen Verlängerung des Einsatzes der Stimme enthalten.

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Brüssel/Wien – Nach der internen Entscheidung der EU-Kommission, den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat weitere zehn Jahre zu erlauben, sind nun erneut die 28 Mitgliedsländer am Zug. Von ihnen hängt nun ab, ob das weltweit meistverwendete Pestizid Ende des Jahres in Europa verboten oder doch, wie Brüssel es vorschlägt, bis Ende 2027 ausgebracht werden darf.

Vetorecht gibt es in der Frage keines, es bedarf aber einer qualifizierten Mehrheit. Umweltverbände steigen erneut auf die Barrikaden. Sie verwiesen am Donnerstag unter anderem auf eine im Februar gestartete Europäische Bürgerinitiative, mit der die EU-Kommission zu einem Verbot von Glyphosat, Transparenz und Unabhängigkeit im Zulassungsverfahren sowie zu verbindlichen Reduktionszielen für den Pestizideinsatz aufgefordert wird. Sollte sich eine qualifizierte Mehrheit der Staaten für die Glyphosat-Verlängerung aussprechen, laufe die Initiative besorgter Bürger ins Leere.

Qualifizierte Mehrheit benötigt

Eine qualifizierte Mehrheit auf EU-Ebene ist erreicht, wenn 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die gleichzeitig 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, für einen Vorschlag stimmen. Zuletzt hat sich Österreich im Juni des Vorjahrs, als die Causa Glyphosat bereits einmal zur Abstimmung stand, wie im übrigen auch Deutschland und fünf weitere der Stimme enthalten. Malta und Frankreich stimmten dagegen, die anderen dafür.

Weil die qualifizierte Mehrheit verfehlt wurde, verlängerte die EU-Kommission die Einsatzmöglichkeit von Glyphosat provisorisch um eineinhalb Jahre. In der Zwischenzeit sollte abgeklärt werden, ob am Verdacht, Glyphosat sei krebserregend, etwas dran sei.

Weil im März die europäische Chemikalienagentur Echa zu dem Schluss kam, dass verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse nicht die Kriterien erfüllten, um Glyphosat als krebserregend zu bewerten, sah sich die EU-Kommission zu dem neuerlichen Vorstoß ermutigt. "Bis vor kurzem hätte ich gedacht, das ist eine gmahte Wiesn, der Vorschlag geht durch. Nun bin ich wieder optimistischer", sagte Helmut Burtscher, Bodensprecher von Global 2000, dem STANDARD. "Es dürfte einen rauchenden Colt geben – Hinweise, wie Monsanto Studien manipuliert bzw. unterdrückt hat. Das könnte zu einer Neubewertung in Europa führen."

Studien und Gegenstudien

Die Nutzung der Substanz, die der US-Konzern Monsanto unter der Marke Round-up (siehe Wissen) vertreibt, in der Landwirtschaft war durch eine Studie der internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation infrage gestellt worden; sie hat das weltweit meistverkaufte Pestizid als wahrscheinlich krebserregend eingestuft – in einer Art Risikoabschätzung.

Insgesamt wurden zu Glyphosat bereits mehr als 3.300 Studien mit insgesamt 90.000 Seiten erstellt. Für die Wiederzulassung des Unkrautvernichtungsmittels wurden allein gut 1.000 Studien eingereicht. Die europäische Chemikalienagentur in Helsinki, auf die sich der Brüsseler Vorstoß stützt, hat keinerlei mutagene, fortpflanzungsschädigende Eigenschaften entdeckt. Allerdings sei das Mittel giftig für Tiere, die in Gewässern leben, und für Pflanzen. Außerdem könne der Kontakt mit Glyphosat zu schweren Augenverletzungen führen.

Für einen Beschluss pro Glyphosat und eine Zulassung für 15 weitere Jahre macht sich in Österreich unter anderen die Industriegruppe Pflanzenschutz stark.

Der Vorschlag geht nun in ein Expertengremium mit Vertretern der Mitgliedstaaten, das im Juli zusammentreten dürfte. Eine Entscheidung wird voraussichtlich aber erst im Herbst fallen. (Günther Strobl, 18.5.2017)