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Schon nach wenigen Monaten im Amt könnte die Zeit für Brasiliens Präsidenten Michel Temer ablaufen.

Foto: REUTERS/Ueslei Marcelino

Die Kommentatoren bemühten in den Abendnachrichten die gewagtesten Metaphern, um die Brisanz der neuesten Enthüllungen im Korruptionsskandal "Lava Jato" fassbar zu machen. Von Erdbeben, Tsunami und Atombombe ist die Rede. Denn nicht nur die Zukunft von Brasiliens Präsident Michel Temer, sondern die der ganzen Regierung scheint besiegelt.

Die Vorwürfe wiegen schwer: Temer soll aktiv geholfen haben, mit Geldzahlungen an einen Zeugen diesen von Aussagen im Korruptionsprozess um den Erdölkonzern Petrobras abzuhalten. Dabei geht es nicht um Hörensagen, sondern um Tonbandaufzeichnungen, die von der Bundespolizei autorisiert wurden.

Am späten Abend des 7. März traf der Unternehmer Joesley Batista, Chef von JBS, des weltgrößten Fleischproduzenten, in Temers Residenz ein. Laut O Globo trug er versteckt ein Aufnahmegerät bei sich. Der Aufnahme zufolge habe Batista Temer erzählt, dass er den inzwischen wegen Korruption inhaftieren Ex-Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha für sein Schweigen bezahle. Temer: "Das müssen Sie weitermachen, einverstanden?" Batista gab die Aufzeichnungen dann an die Staatsanwaltschaft weiter, um einen Deal wegen einer möglichen Korruptionsanklage auszuhandeln.

In Brasilien wird nach den Enthüllungen nicht mehr ob, sondern nur noch diskutiert, wann und wie Temer das Präsidentenamt verlässt. Der 76-Jährige trat Ende August nach einem umstrittenen Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff ihre Nachfolge an. Seinen Sitz will er nun keinesfalls räumen, sagte er am Donnerstag in einer kämpferischen Rede: "Ich habe das Schweigen von niemandem erkauft."

Neuwahlen und Lula

Verfassungsexperten halten Neuwahlen für den wahrscheinlicheren Weg. Dafür müsste eine Anklage vom Obersten Gerichtshof bestätigt werden. Offiziell endet Temers Mandat 2018. Für direkte Neuwahlen braucht es allerdings noch eine Verfassungsänderung. In sozialen Medien riefen die Organisatoren, die vor einem Jahr noch die Proteste für eine Amtsenthebung von Rousseff angeführt haben, jetzt zu Demos gegen Temer auf. Tausende folgten dem Appell. Auch die Arbeiterpartei PT fordert Wahlen.

Schneller als erwartet könnte so Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ein politisches Comeback feiern. Musste er sich vor einer Woche noch wegen Korruptionsvorwürfen vor der Staatsanwaltschaft verantworten, ist er jetzt der neue Stern der Linken. In Umfragen über potenzielle Präsidentschaftskandidaten liegt der 71-jährige Politikveteran weit vorn.(Susann Kreutzmann aus São Paulo, 18.5.2017)