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Viele Beobachter sind sich einig: Sebastian Kurz will nicht mehr mit der SPÖ zusammenarbeiten.

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Aber auch bei Christian Kern dürfte sich die Lust auf eine weitere Koalition mit der ÖVP in Grenzen halten

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Für lange interne Debatten ist jetzt keine Zeit mehr. Die SPÖ wird ihren Kriterienkatalog für etwaige kommende Koalitionen voraussichtlich Anfang oder Mitte Juni vorlegen. Abgesegnet werden dürfte er dann Anfang Juli vom Parteirat, dem nach dem Parteitag zweithöchstem SPÖ-Gremium. Ihm gehören rund 360 Funktionäre an.

Die Antwort auf die Nummer-eins-Frage, ob auch die FPÖ im roten Kriterienkatalog Platz hat, will Kanzler Christian Kern "rechtzeitig vor der Wahl mitteilen", wie er in der ZiB 2 erklärte. Wobei rote Parteistrategen einschränken: Eine gewisse Flexibilität müsse man sich in jedem Wahlkampf behalten. Das gelte sowohl für die Wahlwerbung als auch für die inhaltlichen und strategischen Botschaften.

FPÖ-Wahlkampf wird beobachtet

Beobachtet wird jetzt vor allem, wie die FPÖ ihren Wahlkampf anlegt. Wird er sehr grauslich, ist es denkbar, dass man – wie schon unter Kern-Vorgänger Werner Faymann – die Blauen als Koalitionspartner neuerlich ausschließt. Fällt er halbwegs gemäßigt aus, kommt eher die von Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl gepushte Strategie zum Einsatz. Sprich: Die Partei von Heinz-Christian Strache wird zumindest als potenzieller Partner bezeichnet.

Wahrscheinlicher ist derzeit die zweite Variante. Aber: "Wir werden sicher keine Aussagen treffen, die Stimmen kosten", lautet die Devise. Die Kern-Vertrauten beobachten also vorerst, wie die Resonanz in der Partei ausfällt. Der SPÖ-Chef weiß: Für viele Genossen, vor allem in der Bundeshauptstadt Wien, ist Strache noch immer ein rotes Tuch.

Andererseits ist die Koalitionsfrage immer auch eine der Alternativen, denn sowohl von roten wie auch schwarzen Insidern wird die Einschätzung geteilt: Christian Kern und Sebastian Kurz wird es nicht noch einmal in einer gemeinsamen Regierung geben – egal, wer die Wahl am 15. Oktober gewinnt. Zu vergiftet scheint das Klima, seit der erst 30-jährige neue Chef der Volkspartei Neuwahlen ausgerufen hat.

Die Pilotenfrage

Das jugendliche Alter des Außenministers wird wohl auch noch Eingang in die rote Strategie finden. Sinngemäß will man die Geschichte erzählen: Vertraut man in schwierigen Zeiten lieber einem Piloten mit vielen Flugstunden oder einem, der gerade erst vom Kopiloten zum Piloten aufgestiegen ist? Wie stark die wahlkampfbedingten Attacken auf Kurz ausfallen werden, wird laut SPÖ-Insidern aber auch davon abhängen, wie sehr die Oppositionsparteien bereits dieses Geschäft übernehmen. Die FPÖ, von der Kurz Wähler abziehen könnte, warf ihm zuletzt bereits völliges Versagen bei den Themen Zuwanderung und Integration vor. Auch die Neos sind über die Taktik des Außenministers alles andere als erfreut.

Kurz' politische Kontrahenten hoffen auch noch, dass vielleicht rund um die Erstellung der Wahllisten ein wenig Unruhe bei den Schwarzen aufkommt. Wie berichtet kann der ÖVP-Chef sowohl die Bundes- also auch die Landeslisten nach seinen Vorstellungen gestalten. "Ich bin gespannt, ob alle ruhig bleiben, wenn der eine oder andere langgediente Funktionär kein Mandat mehr bekommt", sagt ein Roter.

Noch herrscht allerdings pure Euphorie in der ÖVP. Das hat sich auch gezeigt, also Kurz zu Wochenbeginn nach seiner Designierung dem schwarzen Parlamentsklub vorgestellt wurde. Dort wurde er mit Standing Ovations empfangen, nachdem Vorgänger Reinhold Mitterlehner zuvor mit äußerst bescheidenem Applaus verabschiedet wurde, was diesen laut Beobachtern auch persönlich getroffen haben soll.

Inhaltlich hat Sebastian Kurz vorerst die Devise ausgegeben: keine Wellen schlagen. Das hat sich auch am Mittwoch gezeigt, als plötzlich die Beschäftigungsaktion 20.000 für Langzeitarbeitslose oder die Erhöhung der Studienbeihilfe mit der SPÖ außer Streit gestellt wurde, obwohl diese Themen vorher wochenlang umstritten waren.

Überstimmen oder doch nicht

Kurz hat mehrfach öffentlich angekündigt, die SPÖ im Wahlkampf nicht überstimmen zu wollen. Ob das auch noch gilt, wenn die Roten tatsächlich das angekündigte freie Spiel der Kräfte eröffnen, ist aber noch offen. Für diesen Fall gibt es auch bei den Schwarzen Überlegungen, sich Mehrheiten abseits der SPÖ zu suchen.

Anbieten würden sich beispielsweise Asyl- und Zuwanderungsthemen in Kombination mit Sozialleistungen. Damit hat Kurz schon in der Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt. Die Reform der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder steht seit längerem auf der Wunschliste der Volkspartei. Auch bei den Themen kalte Progression oder Studienplatzfinanzierung scheinen Mehrheiten rechts der Mitte durchaus möglich. (Günther Oswald, 19.5.2017)