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Ob die Schweizer in Zukunft durch eine Landschaft ohne aktive Atomkraftwerke (im Bild Leibstadt) radeln wollen, entscheiden sie am Sonntag.

Foto: EPA/PETER KLAUNZER

In der Schweiz könnte der Ausstieg aus der Atomkraft schon bald besiegelt werden. Wenn das Volk am Sonntag dem neuen Energiegesetz zustimmt, dann dürfen keine neuen Kernkraftwerke gebaut werden; stattdessen sollen die erneuerbaren Energien gefördert und der Energieverbrauch pro Kopf bis 2035 um 43 Prozent gesenkt werden.

"Geld bleibt hier": Mit diesem Slogan werben die Befürworter für das neue Energiegesetz. Mit ihrem Motto wollen sie die nationalkonservative Volkspartei SVP, die sich als Einzige gegen das Energiegesetz stellt, mit deren eigenen Waffen schlagen. Es sei sinnvoller, in einheimische erneuerbare Energien zu investieren, anstatt jährlich Benzin, Heizöl oder AKW-Brennstäbe für mehr als zehn Milliarden Franken zu importieren.

Denn beim Erdöl wie auch beim Uran sei die Schweiz völlig vom Ausland abhängig, und zwar "von Ländern wie Libyen, Russland, Kasachstan, Nigeria oder Aserbaidschan. Das macht Diktatoren und Oligarchen noch reicher", argumentiert das Pro-Komitee. "Die Energiestrategie stärkt die Produktion von einheimischer, erneuerbarer Energie."

Die Regierung, das Parlament und alle Parteien mit Ausnahme der SVP befürworten das Energiegesetz, und eine breite Allianz von Gewerkschaften und Umweltorganisationen bis hin zum Gewerbe- und zum Bauernverband steht ebenfalls hinter der neuen Regelung.

Hoffen auf neue Arbeitsplätze

Die einen aus ökologischen, die anderen aus wirtschaftlichen Überlegungen: Die verstärkte Förderung erneuerbarer Energien würde Arbeitsplätze in der Schweiz schaffen, etwa bei den Dachdeckern und beim Baugewerbe dank besserer Isolation von Gebäuden.

Auch den Bauern würden neue Verdienstmöglichkeiten winken: "Auf großen Dächern von Ställen und Scheunen kann über Fotovoltaik umweltfreundlich Strom bereitgestellt werden. Und über die Nutzung von Hofdünger können die Landwirte in einer Biogasanlage Strom und Wärme produzieren, was zu zusätzlicher Wertschöpfung auf den Betrieben führt", sagte der christdemokratische Abgeordnete Daniel Fässler kürzlich vor der Versammlung des Bauernverbands. Tatsächlich stimmten die sonst eher konservativen, oft der SVP nahestehenden Bauern dem Energiegesetz zu.

Die SVP ihrerseits warnt vor hohen Kosten durch das neue Energiegesetz. In der Abstimmungszeitung, die die SVP in jeden Schweizer Haushalt verschicken ließ, rechnet ihr Abgeordneter Toni Brunner vor: "Der Bundesrat selbst geht davon aus, dass der Umbau der schweizerischen Stromversorgung bis ins Jahr 2050 rund 200 Milliarden kostet. Das sind 3200 Franken pro Vier-Personen-Haushalt und Jahr." Dies sei weit übertrieben, kontern wiederum die Befürworter: Die Kosten für die Modernisierung des Energiesystems würden ohnehin anfallen; mit dem neuen Gesetz aber könne man die Energieverbrauchskosten deutlich senken.

In Wirtschaft umstritten

Auch in der Wirtschaft ist das Gesetz umstritten. Der Industrieverband Swissmem sieht die Möglichkeit eines Blackout: "Die künftige Versorgungssicherheit mit Strom ist mittelfristig gefährdet", warnt Verbandsvorsitzender Hans Hess. "Die Schweizer Kernkraftwerke gehen schrittweise vom Netz. Selbst wenn die sehr ehrgeizigen Ausbaupläne der Energiestrategie erreicht werden, liefert die Produktion aus erneuerbaren Energien bis im Jahr 2035 weder betreffend Menge noch Qualität einen genügenden Beitrag an die Versorgungssicherheit."

Der Landeschef des global tätigen Schweizer Industriekonzerns ABB, Remo Lütolf, befürwortet die neue Energiepolitik. "Wir müssen unbedingt nachhaltiger mit unseren Ressourcen umgehen. Als Technologiefirma wissen wir, dass vieles bereits heute möglich ist", sagte er der Aargauer Zeitung. (Klaus Bonanomi aus Bern, 19.5.2017)