Bild nicht mehr verfügbar.

Kein Job, mit dem man sich eine goldene Nase verdient, beschreiben Tierärzte den ihren. Ob dies daran liegt, dass der Anteil an Frauen unter ihnen erheblich zugenommen hat, ist nicht belegt. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewinnt jedenfalls an Bedeutung.

Foto: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Wien – "Die Bürokratie kam in den vergangenen Jahren wie ein Tsunami über uns. Ich verstehe, wenn Kollegen die Nase voll haben von den Belastungen." Kurt Frühwirth sieht Ärzte, Anwälte, Apotheker, Architekten, Ziviltechniker, Notare und Steuerberater in administrativer Arbeit, die kaum noch Luft für den eigentlichen Job lasse, ersticken. Der Tierarzt vertritt als Präsident die Freiberufler in Österreich. Und als solcher hält er es für hoch an der Zeit, dass sich die Politik ihrer Sorgen annimmt.

Da ist zum einen die schon erwähnte Bürokratie. Frühwirth erzählt von jedem Milligramm Antibiotika, das ein Tierarzt seit einem Jahr dokumentieren müsse, während dieses im Internet ohne Kontrolle und Schranken verkauft werde. Registrierkasse, Datenschutzbeauftragte und Arbeitsinspektoren, die den gleichen Sachverhalt jeweils anders auslegten, strapazierten die Nerven nicht weniger.

EU will mehr Wettbewerb

Und da ist zum anderen die EU. Dieser sind die Mauern, die freie Berufe aufgrund sogenannter besonderer Qualifikationen, die sie erfordern, um sich aufbauten, bereits seit Jahren Stein des Anstoßes. Sie will mehr Wettbewerb unter den Dienstleistern, höhere Produktivität und niedrigere Preise. Also wird hartnäckig an Zugangshürden und Gebührenordnungen gerüttelt. Rückendenkung geben OECD und Währungsfonds. Auch Wirtschaftsforscher raten zu Deregulierung. Diese ist für die betroffenen Branchen allerdings ein rotes Tuch: Sie befürchten, dass große Konzerne und Finanzinvestoren über Beteiligungen zu starken Einfluss auf sensible Märkte wie jenen der Gesundheit nehmen.

"Wir brauchen keine Deregulierung, sondern eine Entbürokratisierung", sagt Frühwirth. Er warnt vor Abhängigkeiten und Fremdbestimmung. In Holland etwa gebe es mittlerweile kaum noch dezentrale, kleine technische Büros, erzählt Rudolf Kolbe, Vizepräsident der Architektenkammer. Die Preise seien mit dem Ausverkauf eines ganzen Berufsstandes angezogen. "Wir stemmen uns gegen Beteiligungen und große Einheiten."

Keine Lust auf Liberalisierung hat auch der Nachwuchs. Studierende lehnen eine Lockerung der Bestimmungen und Zugänge mit hoher Mehrheit ab, erhob Marktforscher Akonsult in einer aktuellen Studie, für die 600 Studenten meist persönlich befragt wurden. Vor allem angehende Juristen und Wirtschaftswissenschafter sind vehement dagegen.

Gemeinsam statt einsam

Was sie jedoch sehr wohl wollen: sich gemeinsam selbstständig machen, etwa in Form von Gruppenpraxen. Mehr als 80 Prozent der Befragten halten Kooperationen mit Kollegen für vernünftig. Und fast die Hälfte kann sich vorstellen, dabei im Sinne höherer Lebensqualität abseits großer Städte zu arbeiten. 60 Prozent sind es unter den Medizinern. Allein die Juristen freunden sich mit dem Landleben nur bedingt an.

Derzeit aber leide der ländliche Raum vielfach unter Nachwuchsmangel, sagt Frühwirth. Um dort Existenzgrundlagen zu schaffen, brauche es die Hilfe der Politik.

Diese müsse Ansiedelungen für freie Berufe erleichtern, fordert er, etwa über Start-up-Förderungen, in deren Genuss nicht nur die Industrie kommen dürfe. Zudem gehöre die Zusammenarbeit unter Freiberuflern unterstützt: Ärzten sollte es erlaubt werden, andere Ärzte anzustellen. Bisher ist die Gründung von Gruppenpraxen mit hohem Aufwand verbunden.

Weit wichtiger als früher wurde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zumal der Anteil an Frauen in vielen Berufsständen wie jenem der Tierärzte erheblich stieg, sagt Frühwirth: "Die Jungen wollen es besser machen als wir." Darauf müsse man reagieren – ehe große Konzerne eine Arbeitswelt schaffen, die sich besser für Teilzeit und Work-Life-Balance anbiete als jene der Einzelkämpfer. (vk, 19.5.2017)