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Von oben betrachtet ist St. Tropez einfach nur hübsch. Für eine gute Zeit dort gibt es spezielles Personal.

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Die wirklich Berühmten sind nicht geizig, aber deutlich bescheidener im Auftritt. Und die Indiskreten kommen eher von der Wasserseite: per Boot, falls man bei einer Fünfzig-Meter-Yacht noch von "Boot" sprechen kann.

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Besonders begehrt sind Stellen als sogenannter Plagist: Sie sind morgens die ersten am Strand, bauen die Liegen auf, rücken Polster zurecht, klappen die Sonnenschirme – und sie stellen sicher, dass ihre Stammgäste auch den Lieblingsplatz auf diesem schmalen Sandstreifen bekommen.

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Der Plage de Ramatuelle

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Für Marie Mouret ist am Strand von St.Tropez immer ein Platz reserviert – sogar für ihr Auto, selbst im Hochsommer, sogar bei größtem Andrang und wenn auf dem öffentlichen Stellplatz hinter den Dünen zehn Schritte vom Beach-Club Key West seit Stunden gar nichts mehr geht: in erster Reihe, sogar mit Meerblick durch die Windschutzscheibe. Das ist der kostbare Parkplatz von Marie Mouret.

Mit einem Absperrband ist er gesichert, damit ihn sich nur ja kein anderer einfach so nimmt und dort seinen Porsche Cayenne oder ein anderes teures Auto abstellt. Marie kommt jeden Tag und stets rollt sie an der Warteschlange der Parkplatzufahrt vorbei, dreht das Lenkrad um neunzig Grad nach rechts und parkt ihren silbernen Toyota Yaris mit Schwung ein.

Lästige Parkgebühren

Drüben in Cannes finden gerade die Filmfestspiele statt, 2017 zum 70. Mal. Vermutlich ist es heuer noch ein wenig schwieriger, irgendwo an der Côte d’Azur einen Parkplatz zu finden. Marie Mouret arbeitet als Parkwächterin an der Plage de Ramatuelle, hockt im Kassenhäuschen an der Schranke, sammelt vier Euro vierzig Parkgebühr fürs Tagesticket ein – egal, ob vom Millionär mit Lamborghini oder vom ewigen Studenten mit Uralt-Renault.

Was für Autos hier abgestellt werden? "Keine Ahnung", sagt sie und lacht. "Dafür habe ich mich nur im ersten Sommer interessiert." Was ihren Job von dem all der anderen Saisonarbeiter an Frankreichs exklusivstem Sandstrand, an gut fünf Kilometern Küste unterscheidet? Dass es kaum Trinkgeld gibt. "Die Leute finden Parkgebühren lästig, irgendwie ärgerlich. Sie zahlen passend oder lassen sich korrekt herausgeben – obwohl manche von ihnen gleich danach im Beach Club eine Flasche Champagner für 3.000 Euro ordern."

Glücklich beim Einparken

Ganz anders ist das schräg gegenüber bei Christopher Ferreira, der seit über zwanzig Jahren die Fahrzeuge der Gäste des Club 55 einparkt – in der Saison so eng, dass kaum ein Blatt Papier dazwischenpasst: "Ich habe einfach Glück gehabt mit diesem Job. Ein Freund hat mir damals erzählt, dass die Stelle zu haben ist." Ob er seinerzeit Ablöse an seinen Vorgänger zahlen musste? Er schaut überrascht, sagt schließlich "Nie davon gehört".

Tatsächlich halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach bis zu sechsstellige Ablöse-Summen für die trinkgeldintensivsten Strandjobs geboten werden – immer vorausgesetzt, der Arbeitgeber ist bereit, den Alten ziehen zu lassen und den Neuen einzustellen. Warum so viel Geld fließt? Weil es sich lohnt. Weil schnell zehn, zwanzig Euro fürs Ein- und Ausparken den Besitzer wechseln. Und weil es Neureiche gibt, die keine Ahnung von gutem Stil haben und einem Parkwächter dafür auch mal einen Hunderter in die Hand drücken oder einen Strandkellner mit einem Fünfzig-Euro-Schein für die Drinks danken.

Unter den Augen aller

Die wirklich Berühmten sind nicht geizig, aber deutlich bescheidener im Auftritt. Und die Indiskreten kommen eher von der Wasserseite: per Boot, falls man bei einer Fünfzig-Meter-Yacht noch von "Boot" sprechen kann. Sie lassen ihre Schiffe so nah wie möglich ans Ufer heranmanövrieren und steigen unter den Augen aller, die unbedingt hinschauen wollen, für die letzten Meter in ein Beiboot mit Außenborder um.

Besonders begehrt sind Stellen als sogenannter Plagist, ein Beruf, der nicht mit einem Wort zu übersetzen ist. Jeder Beach Club beschäftigt so jemanden: meistens ein Schrank von einem Kerl, immer ein ausgebildeter Rettungsschwimmer. Plagisten sind morgens die ersten am Strand, bauen die Liegen auf, rücken Polster zurecht, klappen die Sonnenschirme – und sie stellen sicher, dass ihre Stammgäste auch den Lieblingsplatz auf diesem schmalen Sandstreifen bekommen.

Persönliche Ebene

Mathieu Lany ist durch Zufall an den begehrten Job als Plagist im Key West Beach-Club geraten: "Du musst ein paar Mal da gewesen sein, die Leute müssen Dich kennen, das geht über die persönliche Ebene. Da gibt es keine Muster-Laufbahn." Lany hat erst mit acht Schwimmen gelernt, hat längst das Rettungsschwimmer-Diplom in der Tasche und ist seit acht Jahren Plagist. "Dabei war ich anfangs ein richtig schlechter Schwimmer", sagt er.

Fast so einer wie die, die er heute aus dem Wasser ziehen oder zumindest ständig im Blick behalten muss. Und das Trinkgeld? "Wir schmeißen nach Feierabend zusammen, was jeder bekommen hat und teilen es dann auf. Da ist egal, ob du Plagist bist oder Kellner oder Koch." Einen Nachteil hat der Job allerdings: "Bei schönem Wetter hast du an diesem Strand ein echtes Parkplatzproblem. Außer du machst Marie Mourets Job."

Seit 30 Jahren Sunnyboy

Jung zu sein, ist hier nicht Pflicht. Schön zu sein, wird gern gesehen, ist aber kein Muss. Und hipp ist, wer sich dazu erklärt. Jeder darf so sein, wie er will. Sogar der Strandhändler, der sich Sergio nennt. Er hat graue Locken und anders als anderswo in der Welt keine falschen Rolex im Sortiment. Die Leute hier haben echte, da macht man sich mit einer falschen am Handgelenk schnell lächerlich. Als Anbieter sowieso.

Gerard Bartolo ist seit über 30 Jahren Plagist und hat so ziemlich alles erlebt, was einem dieser Job bescheren kann. Diesen Nachmittag lehnt er lässig an einer Theke im Plagisten-Bereich, hat das Fernglas griffbereit, daneben eine Halbliterflasche Mineralwasser. Er schaut aufs Wasser, die Wellen, die Yachten, auch auf die Leute auf den Liegen – alles in größter Entspanntheit und durch die Gläser einer silber verspiegelten Brille. Er ist braungebrannt, trägt mit Absicht ein viel zu enges rotes T-Shirt und genießt sichtlich die Rolle als Sunnyboy.

Bartolo dürfte Mitte fünfzig sein, hat sich gut gehalten und scheint es zu genießen, sich als Gesamtkunstwerk in Szene zu setzen. Ob es Frauen gibt, die ihn nach seinem Namen fragen? Oder nach der Handy-Nummer? Jetzt grinst er. "Ist schon mal vorgekommen", sagt er. "Aber in der letzten Zeit ein bisschen seltener." Was für ein Auto Bartolo fährt? Er geht immer zu Fuß. Das ist am schönsten. Und gut für den Teint. (Helge Sobik, 19.5.2017)