Peter Filzmaier schließt im Gegensatz zum VSStÖ ein rot-schwarze Koalition in der ÖH aus.

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STANDARD: Wie haben sich die ÖH-Listen im Wahlkampf geschlagen?

Filzmaier: Der ÖH-Wahlkampf war von Unappetitlichkeiten und Widerlichkeiten überschattet, nachdem der Skandal rund um die AG am Juridicum völlig zurecht der große Aufreger war. Aus Sicht der Krisenkommunikation verhielt sich die AG Jus hier nicht logisch: Dass die Chats als "schwarzer Humor" bezeichnet wurden, war ein eher unfreiwillig komischer Witz, wenn man die Verbindungen zur ÖVP bedenkt. Wie es scheint, haben die Betroffenen halbherzig Konsequenz gezogen.

STANDARD: Mit Krisenkommunikation hatten auch die Gras zu tun, nachdem sich die Grünen Studierenden abgespalten haben.

Filzmaier: Da muss man sich fragen, was das Ziel dieses Konflikts war. Neben dem der Destabilisierung war jedenfalls keines erkennbar. Beim Fall des "Ich gegen mich selbst" gab es noch nie eine erfolgreiche Kommunikation. Das war Gruppendynamik auf offener, medialer Bühne.

STANDARD: Gingen die anderen Fraktionen unter?

Filzmaier: Man hatte generell das Gefühl, dass im Wesentlichen nur Textbausteine der vergangenen Wahlkämpfe ausgetauscht wurden und es gewissermaßen "more of the same" war. Das ist zumindest das Gesamtbild, dass die Fraktionen abgeliefert haben. Es ging wieder um die Frage, ob die Fraktionen für Service stehen oder mit einem gesellschaftspolitischen Anspruch auftreten. Dass die Verbindung dieser beiden Pole immer als Paradoxon dargestellt wird, ist erstaunlich: Als würden sie sich ausschließen. Vielmehr sollte es um die Gewichtung gehen und nicht um ein Entweder-oder.

STANDARD: War die Studentenvertretung früher innovativer?

Filzmaier: Damit ich nicht in die Falle gerate, zu behaupten, früher wäre alles besser gewesen: Vielleicht war es damals nicht anders. Seit den 1970ern sinkt die Wahlbeteiligung. Eine Möglichkeit, sie zu heben, wäre durch Negativität oder besondere Konfliktsituationen aufzufallen. Das ist aber nicht besonders ratsam, da die Skandalisierung – auch wenn sie von einzelnen Fraktionen selbstverschuldet ist – auf die gesamte ÖH zurückfällt. Ich bin allerdings skeptisch, ob es sinnvoll ist, die Diskussion über die Wahlbeteiligung nur direkt zu den Wahlen zu führen. Die Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung sind wahrscheinlich in den Jahren zwischen den Wahlen zu suchen.

STANDARD: Welche Rolle hat die ÖH für Studenten?

Filzmaier: Die ÖH muss sich dieselbe Frage gefallen lassen wie die Bundespolitik oder auch die EU: Wie glaubhaft sind sie darin, Alltagssorgen ernst zu nehmen, oder leben sie in einer Parallelwelt?

STANDARD: Wie kann die ÖH wieder wichtiger werden?

Filzmaier: Die ÖH scheitert zumeist an ihrem hohen Selbstanspruch. Es gilt immerhin, die Welt zu verändern. Man müsste Erfolge auf Universitäts- und Fakultätsebene mehr kommunizieren. So bleibt nur die Bilanz: Alles wurde eben nicht verändert.

STANDARD: Ist die ÖH in den letzten zwei Jahren insgesamt leiser gewesen als davor?

Filzmaier: Die ÖH war früher sicherlich aktionistischer. Das verhindert jedoch oft ein Verhandlungsergebnis: Wenn der Gesprächspartner am Nasenring vorgeführt wird, wird es schwierig, Kompromisse zu erzielen. Erst wenn die inneren Kanäle verstopft sind, muss man Druck aufbauen.

STANDARD: Seit sechs Jahren stellen Gras, VSStÖ, Flö und Fest die ÖH-Exekutive. Kann man zu viert was weiterbringen?

Filzmaier: Den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden ist in der Tat ein Problem. Ein Dilemma, denn andere Mehrheiten sind schwierig zu finden. Für die AG und die Junos wäre es wichtig, die Flö auf ihre Seite zu kriegen.

STANDARD: Der VSStÖ schließt eine Koalition mit der AG nicht aus.

Filzmaier: Wenn man sich die aktuellen bundespolitischen Entwicklungen ansieht, kann man davon ausgehen, dass diese Koalition weniger wahrscheinlich ist denn je. Wenn der VSStÖ gerade jetzt, nach den Vorfällen am Juridicum, mit der AG koalieren würde, könnte er gleich alle Grundsatzwerte über Bord werfen. (Vanessa Gaigg, 19.5.2017)