Einflüsterer hinter SPÖ-Chef Christian Kern: Der auf Finanzpolitik spezialisierte Kabinettschef Christopher Berka (ganz links) und Kommunikationschef Jürgen Schwarz (Mitte oben) sind die engsten Vertrauten im Kanzleramt, Renner-Institut-Chefin Maria Maltschnig (ganz rechts) ist für die längerfristige Ausrichtung da. Bei manchen Genossen schlecht angeschrieben, aber wichtig für Kern: Altkanzler Alfred Gusenbauer (links unten). Mit Ex-Siemens-Managerin Brigitte Ederer (rechts unten) verbindet ihn ÖBB-Vergangenheit.

Fotos: APA, AP, BKA, BMEIA, Cremer, privat, Reuters, Urban; Collage: STANDARD / Friesenbichler

Wer auf dem Sprung zur Macht ist, muss jeden Schritt genau überlegen: Sebastian Kurz helfen dabei wesentlich seine Kabinettsmitglieder Gerald Fleischmann, Axel Melchior und Stefan Steiner (rechts oben, rechts Mitte und rechts), seine Businesskontakte außerhalb von Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung orchestrierte in den vergangenen Monaten Antonella Mei-Pochtler (links oben), einer seiner engsten "Buddies" ist der Wiener VP-Chef Gernot Blümel (links unten). Besonders wichtig momentan: der Austausch mit Exkanzler Wolfgang Schüssel (rechts unten).

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Für Journalisten, Strategen und andere Freaks war der Schlagabtausch zwischen ÖVP und SPÖ in der vergangenen Woche ein Fest: Neuwahlgeplänkel, Gezerre um die Besetzung des Vizekanzlerpostens, das "freie Spiel der Kräfte" – es ging um Taktik pur, den effektvollsten Spin, um das richtige "Wording" im richtigen "Setting", am besten zur Primetime im ORF.

Connaisseurs in der ausgefeilten Kunst der politischen Intrige stellte sich sofort die Frage: Wem leihen Christian Kern und Sebastian Kurz ihr Ohr, bevor sie solche Auftritte absolvieren? Wen ziehen sie bei, wem vertrauen sie in solch angespannten Zeiten? Dabei gilt es zu unterscheiden: Netzwerk und engste Vertraute – das ist nicht unbedingt dasselbe.

Der Kanzler und SPÖ-Chef profitiert, seinem Vorgänger Werner Faymann gar nicht unähnlich, von in jungen Jahren aufgebauten Kontakten. Dazu gehören Kollegen, die wie er selbst in den Neunzigern Pressesprecher waren: Stefan Pöttler und David Mock, der für den Regierungschef Reden schreibt, arbeiteten damals für Bundeskanzler Viktor Klima, Kern im SP-Klub. Auch Karl Krammer, früher Sprecher und Kabinettschef von Kanzler Franz Vranitzky, zählt zu dieser politischen Generation, mit ihm pflegt Kern einen sehr engen Austausch.

Eine Handvoll Vertrauter

Zum allerengsten Kreis, in dem Kern kurzfristige Entscheidungen abspricht, rechnen Parteikenner nur eine Handvoll Mitstreiter. Dazu zählen Kommunikationschef Jürgen Schwarz und der finanzpolitisch versierte Kabinettschef Christopher Berka, die Kern beide aus dem Faymann-Team übernommen hat, aber auch eine in der SPÖ umstrittene Figur: Alfred Gusenbauer gilt als einer der Einflüsterer, die dem Kanzlerohr am nächsten sind.

Der Altkanzler und sein Nachnachfolger lernten sich vor 30 Jahren in den roten Jugendorganisationen kennen. Gusenbauer eilt der Ruf des analytisch begabten Intellektuellen voraus, doch seine kurze Amtszeit deutet nicht unbedingt auf strategisches Geschick hin. Bereits nach einem Jahr an der Regierungsspitze hatte der in den eigenen Reihen angefeindete Parteichef, wie er sagte, das "politische Kapital aufgebraucht".

Außenpolitischen Berater hat Kern denselben im Kabinett wie schon Gusenbauer: Bernhard Wrabetz, bis vor einem Jahr Botschafter in Indien und Bruder von ORF-Chef Alexander Wrabetz.

Institutionalisierte Runde

Eine institutionalisierte Runde gibt es auch. Jeden Montag trifft sich in der Parteizentrale in der Löwelstraße ein Strategiekreis mit Kern, Berka, Kunstminister Thomas Drozda, Klubchef Andreas Schieder, Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler sowie – und das ist nicht selbstverständlich – Maria Maltschnig, Leiterin des Renner-Instituts.

Die 31-Jährige hat wie Berka eine Vergangenheit in der Sektion 8, die als Nest aufmüpfiger Faymann-Kritiker Furore machte und nun in die Institutionen sickert. Als ÖBB-Chef hat Kern Maltschnig eingestellt, in die Politik mitgenommen und ihr schließlich die aufgewertete Parteiakademie übergeben.

Abgesehen von der Qualifizierung roter Funktionäre soll sich das Institut stärker auch um den strategischen Ausblick und die Pflege des Kontakts zu jungen Wissenschaftern bemühen. "Als Beraterin im tagespolitischen Geschäft sehe ich meine Rolle aber nicht", sagt Maltschnig. Vielmehr widme sie sich grundsätzlicheren Fragen, beispielsweise der Digitalisierung der Arbeitswelt.

Ein anderer Berater soll mit präzisen Umfrageanalysen bei Kern Eindruck gemacht haben. Tal Silberstein habe Van der Bellens Sieg bei der Präsidentenwahl auf die Prozentzahl genau vorausgesagt, heißt es. Manche in der Partei finden, dass der Kanzler in der Folge zu stark auf den Israeli gehört habe. Silberstein soll in seiner Argumentation die Logik der israelischen Politik auf die österreichische umgelegt haben – Motto: Rücke nach rechts, sonst verlierst du wegen der Sicherheitsfrage!

Feedback von alten Bekannten

Mittlerweile soll der Einfluss des von der ÖVP als Schmutzkübelexperte verunglimpften Strategen geschrumpft sein. Überhaupt gilt Kern als keiner, der wie Faymann über Jahre allein dem Urteil des ewig gleichen Klüngels lauscht. Unregelmäßig holt er sich Feedback von alten Bekannten, manche sagen ihm auch aus Eigenantrieb die Meinung.

Auf Wirtschaftsseite zählen dazu etwa Expolitikerin und ÖBB-Aufsichtsratschefin Brigitte Ederer sowie Nico Pelinka. Der war als Faymanns ORF-Strippenzieher ein Reibebaum, brachte Kern aber die Start-up-Welt nahe.

Wichtig sind für Kern auch zwei Landesparteichefs: Der Kärntner Peter Kaiser bastelt federführend an jenem Kriterienkatalog, der de facto die Option einer rot-blauen Koalition eröffnet, der Steirer Michael Schickhofer soll die Verbreiterung der Partei vorantreiben.

Beide hatten in erster Reihe an Kerns Kür gearbeitet, Schickhofer gilt gar als Einfädler. Ja, er habe jenes denkwürdige Treffen im Wiener Hotel Schani organisiert, bei dem sich eine Mehrheit der Landeschefs auf die Faymann-Ablöse verständigte, sagt er, betont aber: "Jeder Landeschef, ob Burgenland oder Tirol, findet bei Kern Gehör, wenn er eine Initiative setzt."

Noch ein anderer Steirer ist für Kern ein gern frequentierter Gesprächspartner: Ex-ÖVP-Landesrat Gerhard Hirschmann. Mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl pflegt Kern einen "respektvollen" Umgang, man tauscht sich aus, "im Wissen, dass man unterschiedlichen Politikergenerationen angehört", wie ein Insider sagt. Dasselbe gilt für Altkanzler Vranitzky. Besseren Draht hat er zu einem anderen Wiener Urgestein: Renate Brauner.

Ähnliche Strategien

Auch wenn es beide wohl nicht gerne hören: In der Art und Weise, wie sie ihre Karrieren orchestrieren, sind sich Kern und Kurz nicht unähnlich. Auch Letzterer ist ein großer Netzwerker, auch er vertraut auf belastbare Seilschaften aus Jugendtagen. Im Moment freilich ist der Kreis um Sebastian Kurz sehr eng. "Wenn das Umfeld besonders feindselig ist, braucht es Verstärkung und Bestätigung nach innen", sagt ein schwarzer Politinsider.

Folgerichtig hört Kurz derzeit vor allem auf die Ratschläge von Stefan Steiner, seinem Integrationsexperten, Sprecher Gerald Fleischmann und dem stellvertretenden Büroleiter Axel Melchior. Zum innersten Kreis zählt auch der Chef der Wiener ÖVP, Gernot Blümel, mit dem ihn, wie mit Melchior, gemeinsame JVP-Zeiten, aber auch die "Entdeckung" durch Michael Spindelegger verbinden. Blümel hat als ehemaliger Parteimanager die ÖVP-interne Taktik intus, die Kurz bei der Machtübernahme in der Partei geholfen hat.

Kurz wird in der ÖVP das Talent nachgesagt, schnell zu erkennen, wer in einem bestimmten Bereich die entscheidenden "Player" seien. So habe er, als er Integrationsstaatssekretär wurde, sofort auf Steiner als Bürochef gesetzt, weil der einer der wenigen in der ÖVP ist, die fließend Türkisch sprechen, und er das Land gut kennt, da er Jahre dort gelebt hat.

Der letzte VP-Kanzler hilft

Immer wichtiger in den letzten Wochen wurde für Kurz aber der Kontakt mit dem ehemaligen ÖVP-Chef und Kanzler Wolfgang Schüssel. Dieser hielt Kurz ursprünglich für zu jung, um die Partei zu übernehmen. Darin war er sich offenbar mit Erwin Pröll einig. Aber: "Er hat sich die Anerkennung der beiden erarbeitet", erzählt ein Insider.

Den niederösterreichischen Landeschef habe überzeugt, wie Kurz in die "Basis" wirke, wie viele Bürgermeister positiv von ihm sprächen. Schüssel wiederum traf vor Monaten auf einer Konferenz in Sotschi auf den russischen Außenminister Sergej Lawrow. Dieser fragte ihn, wie es "dem Sebastian" gehe, und lobte dessen Talent. Das soll Schüssel tief beeindruckt haben.

Dass Kurz in den für die ÖVP so wichtigen "Wirtschaftskreisen" schwach aufgestellt sei, stimme nicht, sagte ein politischer Beobachter zum STANDARD. Kurz habe etwa die Politische Akademie der ÖVP, deren Präsident er ist, wiederholt für Konferenzrunden zu Themen wie Industrie 4.0 oder New Economy genützt. Dirigentin dieser orchestrierten Veranstaltungen ist Boston-Consulting-Chefin Antonella Mei-Pochtler.

Diese Verbindung soll auch nicht unwesentlich in Sachen Fundraising sein: Hier gebe es Zusagen, Mittel seien auch bereits geflossen, sagt ein Eingeweihter. Mit dieser auf ihn zugeschnittenen finanziellen Stütze im Hintergrund habe Kurz auch die ÖVP letztlich "überzeugt".

Und dann ist da noch ein amüsanter Seitenaspekt, der Kurz mit Kern verbindet. Als die ÖVP-Hoffnung Außenminister wurde, tauschte er sich intensiv mit einem alten Freund des heutigen Rivalen aus: Alfred Gusenbauer. (Gerald John und Petra Stuiber, 20.5.2017)