Wien – Dominiert haben den Wahlkampf um das Studierendenparlament Skandale und Streitereien. Das Resultat: Noch nie haben so wenige Studierende an einer Wahl zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) teilgenommen wie heuer. Bei einer Wahlbeteiligung von 24,5 Prozent hat nicht einmal jeder vierte Wahlberechtigte seine Stimme abgegeben. Der neue Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) schlägt nun die Einführung von E-Voting vor, um die Wahlbeteiligung zu steigern.

Die Positionen einiger Spitzenkandidaten zu E-Voting.
derStandard.at

Hanna Lutz, Spitzenkandidatin des Verbands Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), will sich den Vorschlag "anschauen", sagt sie zum STANDARD. Auch die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft und die Junos sind nicht abgeneigt, der Ringe Freiheitlicher Studenten (RFS) und die Grünen sind dagegen (siehe Video). Auch die Fachschaftslisten (FLÖ) gelten als Gegner von E-Voting. Die ehemalige ÖH-Vorsitzende und jetzige grüne Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer sagt zur Idee Mahrers: "Das hätte er sich besser sparen sollen." Schon 2009 wurde E-Voting bei einer ÖH-Wahl getestet. "Es war ein einziges Desaster", sagt Maurer zum STANDARD. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hob die Wahl damals auf. Die Begründung: Manipulationen und Fehler seien schwerer zu erkennen als bei der Papierwahl. Beim derzeitigen Stand der Technologie sei E-Voting schwer bis unmöglich durchzuführen.

Das gelte auch noch heute, sagt Christof Tschohl, Obmann der Initiative Epicenter Works, die sich für digitale Rechte einsetzt: "Es gibt keine hundertprozentige IT-Sicherheit." Es sei schon schwierig, kritische staatliche Infrastruktur zu schützen, er sei sehr skeptisch, wenn man jetzt beim "Rückgrat des demokratischen Systems" – dem Wahlrecht – ein neues Problemfeld schaffe, sagt Tschohl.

AG mit Ergebnis zufrieden

Neben der geringen Wahlbeteiligung prägten vor allem die starken Zuwächse des VSStÖ das Ergebnis dieser ÖH- Wahl. Dennoch konnte die AG ihren ersten Platz auf Bundesvertretungsebene verteidigen, trotz der Veröffentlichung antisemitischer und NS-verherrlichender Postings ihrer Funktionäre am Wiener Juridicum. Sie musste ein leichtes Minus von 0,3 Prozentpunkten einstecken und fiel von 26,7 auf 26,4 Prozent, im Studierendenparlament verlor sie dadurch ein Mandat und steht jetzt bei 15. "Wir sind Stimmenstärkste, damit sind wir zufrieden", sagt Spitzenkandidatin Silvia Grohmann zum STANDARD.

Darüber, ob die Vorfälle am Juridicum mit dem Stimmenverlust zusammenhängen, will Grohmann nicht spekulieren. In der dortigen Doktortatsvertretung kommen die roten Studierenden auf drei von fünf Mandaten. In der Studienvertretung Diplom auf zwei von fünf. Der jeweilige Rest (zwei bzw. drei Mandate) ging an die AG.

Niederlage für AG an Uni Wien

Durch die Beschickung der Fakultätsvertretung (FV) durch die Studienvertretungen dürfte die FV Jus jedoch trotzdem weiter in der Hand der AG bleiben. Neun der elf FV-Mandate werden von der Studienvertretung Diplom entsendet (die FV-Mandatare werden nicht von den Studierenden gewählt). Da hier die Mehrheit bei der AG liegt, könnte sie mit einfacher Mehrheit neun AG-Personen für die FV entsenden.

Die Doktoratsvertretung, wo die Mehrheit beim VSStÖ liegt, schickt nur zwei der elf Mandate in die FV. Diese dürften von roten Studierenden besetzt werden.

An der Uni Wien fuhr die AG jedoch eine Niederlage ein. Sie wurde von Platz eins verdrängt und verlor sowohl auf Hochschul- als auch auf Bundesvertretungsebene rund fünf Prozentpunkte. Der große Gewinner an größten Hochschule des Landes ist der VSStÖ. Er verzeichnet auf Hochschulebene einen Gewinn von fünf Prozentpunkten, für die Bundesvertretung sogar 8,5 Prozentpunkte.

Lutz sieht sich als "logische" Vorsitzende

Auch sonst gewann der VSStÖ an allen großen Unis – bis auf die Uni Salzburg – dazu und überholte dadurch die Grünen und Alternativen Studierenden (Gras). In der Bundesvertretung kommen die Roten von 15 auf 20,5 Prozent und schaffen vier Mandate mehr, dadurch ist die Mehrheit der linken Exekutive der vergangenen Jahre gesichert. Diese Koalitionsvariante präferiert auch Hannah Lutz, Spitzenkandidatin des VSStÖ. Mit ihrem Ergebnis sei es "logisch", den Anspruch auf die Vorsitzende zu stellen, sagt sie.

Neben dem VSStÖ konnten die FLÖ und die Junos, die Studierendenvertretung der Neos, Gewinne verzeichnen. Der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) und der Kommunistische Studierendenverband Linke Liste (KSV-Lili) konnten ebenfalls Prozentpunkte gutmachen – für ein zusätzliches Mandat reichte es aber nicht. Die Spaßfraktion No Ma'am zog mit einem Sitz in das Studierendenparlament ein.

Als Verlierer geht die nun drittplatzierte Gras aus der Wahl. Die Querelen innerhalb der Grünen rund um die Abspaltung der Grünen Studierenden brachten der Gras ein Minus von 4,4 Prozentpunkten ein. Auch in Mandaten mussten sie die größte Niederlage einstecken: Sie minimierten sich von zwölf auf neun Sitze. "In Graz und Linz haben zwei Listen mit grünem Namen kandidiert, das schwächt uns", sagt Spitzenkandidatin Marita Gasteiger. (Lisa Kogelnik, Oona Kroisleitner, 19.5.2017)