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Von Hainburg ins Parlament: Franz Weber, Freda Meissner-Blau, Günther Nenning und Kaspanaze Simma bei der Au-Besetzung 1984.

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Mit Aktionismus im Hohen Haus: grün-alternative Selbstinszenierung von Andreas Wabl und Madeleine Petrovic mit Taferln, die FP-Politiker anklagen.

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Zunächst überwog bei den Grünen die EU-Kritik, dann wandelten sie sich zu glühenden Europäern: Der frühere Grünen-Parteichef Johannes Voggenhuber mit Eva Lichtenegger und dem heutigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.

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Wenn Grüne mitregieren, dann setzen sie um, was ihre Kernwähler wollen: Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou mit dem Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger auf der neu gestalteten MaHü.

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Wenn die Kampagnen der Grünen erfolgreich sind, dann bewirkt das viel in der Gesellschaft – aber es wird nicht unbedingt der Partei zugerechnet, wie der Wahlsieg von Alexander Van der Bellen.

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Und irgendwann reicht es: Eva Glawischnig (mit Ehemann Volker Piescek) nahm diese Woche Abschied vom wenig bedankten Posten an der Parteispitze.

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Man muss kein Körndlfresser sein, um bei den Grünen anzudocken. Und auch die in der Frühzeit allgegenwärtigen Schlapfen sind inzwischen aus der Mode gekommen. Überhaupt die Mode! "Jute statt Plastik" ist ein längst vergessener Slogan. Darüber zu spotten allerdings wäre ungerecht.

Tatsächlich ist den Grünen ja gelungen, die Exzesse bei der Verpackung zu thematisieren – dass Plastiksackerln nicht mehr bei jedem Einkauf mit dabei sind, ist einer ihrer Erfolge. Mehr noch: Es ist selbstverständlich geworden, Verpackungen einzuschränken, den spezifischen Energieverbrauch zu drosseln und auch sonst schonender mit der Umwelt umzugehen. Dass das Atomkraftwerk Zwentendorf nie in Betrieb genommen wurde, war einer der ersten Erfolge der Grün-Bewegung in Österreich. Eine hauchdünne Mehrheit war das damals, im November 1978.

Bedingt profitiert

Natürlich waren das nicht alles Grüne, die vor 40 Jahren die Kampagne gegen die Atomkraft getragen haben – die Grünen hat es als Partei damals (und noch lange danach) gar nicht gegeben. So wie es im Vorjahr nicht alles Grüne waren, die die Kampagne für Alexander Van der Bellen getragen haben. Und es zeigt sich, dass die Grünen von diesen Erfolgen nur bedingt profitiert haben.

Unbestreitbar ist, dass die Grünen aus der Umweltbewegung der 1970er-Jahre Kraft geschöpft haben: Grün, das stand für Bio, das stand für die Ablehnung der Atomkraft, das stand für demokratische Mitsprache, das stand auch für ein alternatives Wirtschaftsverständnis. All das ist im Mainstream angekommen – wenn es auch nicht reicht, um politische Mehrheiten zu begründen.

Wozu eigentlich Grüne?

Den Idealisten, die in den frühen 1980er-Jahren versucht haben, die Grün-Bewegung in die Parlamente zu führen, war von allem Anfang an bewusst, dass ihr Thema zwar nicht mehrheits-, wohl aber zukunftsfähig sein würde. Wobei viele der damaligen Akteure für sich in Anspruch genommen haben, den richtigen, vielleicht sogar den einzig richtigen Zugang zu einer zukunftsfähigen Politik gefunden zu haben.

Da gab es mehr oder weniger biedere Naturschützer, unter die sich von der einen Seite rechte Blut- und Bodenschützer und von der anderen Seite sozialdemokratisch sozialisierte Naturfreunde mischten. Da gab es Umweltschützer, deren Motivation sich vor allem aus der Verhinderung von Kraftwerks- oder Straßenprojekten speiste – und die ihr Heil und das Heil der Umwelt in der Durchsetzung von technischen Schutznormen sahen. Da gab es linke Theoretiker, die schon damals die Argumente sammelten, die heute in der Globalisierungsdiskussion verwendet werden – wobei sich diese Theoretiker mit Praktikern des ökologischen Landbaus verbündeten, die in der Biolandwirtschaft auch eine Alternative zur Logik der immer industriegerechteren Agrarproduktion und deren Vertretern in Bauernbund und Raiffeisenorganisation sahen.

Es war dann auch einer aus diesem Eck der Grün-Bewegung, der als Erster in ein Parlament eingezogen ist: Kaspanaze Simma, ein von der ÖVP frustrierter Bauer aus Andelsbuch, erreichte mit einer Listenkombination von Alternativer Liste und Vereinten Grünen bei der Vorarlberger Landtagswahl 1984 sensationelle 13 Prozent der Stimmen.

Der Mythos von Hainburg

Das war wohlgemerkt "vor Hainburg", also vor der Besetzung jener Baustelle in der Hainburger Au, in der die rot-blaue Koalition (ja, das hat es einmal gegeben) partout ein Großkraftwerk errichten wollte – und dies auch noch frech mit Umweltschutzargumenten begründet hat. Im Dezember 1984 gab es einen Schulterschluss aller möglichen umweltbewegten Kräfte: Mit Freda Meissner-Blau und dem Journalistengewerkschafter Günther Nenning an der Spitze marschierte man in die Au und besetzte sie.

Die rot-blaue Koalition schickte die Gendarmerie und ließ die Besetzer prügeln. Dieses kollektive Erlebnis wird fälschlicherweise als die eigentliche Geburtsstunde der Grünen angesehen. Richtig daran ist jedoch, dass viele bis dahin wohlbehütete Bürgerkinder unter den Aubesetzern waren – und dass viele von ihnen die Systemkritik der grün-alternativen Bewegung in der Kälte der Au schätzen gelernt haben. Das wiederum hat die bürgerliche Wurzel der Grün-Bewegung gestärkt.

Aber die Positionierung der Grünen blieb in den folgenden Jahren umstritten, die Festlegung dieser Positionierung im Links-Rechts-Schema noch mehr. Denn zunächst galt, was Nenning der Bewegung in den Monaten nach Hainburg vorgegeben hatte: "Deklinieren wir durch: Ich, du, er, sie, es, wir sind keine Partei." Sondern eben etwas ganz anderes. "Bürgerinitiative Parlament" war ein Schlagwort – aber letztlich lief es darauf hinaus, die verschiedenen basisdemokratisch organisierten Gruppen gemeinsam mit den noch am ehesten traditionell als Partei strukturierten, aus Bürgerinitiativen gewachsenen und weitgehend bürgerlich orientierten Vereinten Grünen in eine Kandidatur zusammenzuführen. In die der Liste Freda Meissner-Blau.

Von wegen Basisdemokratie

So gelang 1986 der Einzug in den Nationalrat. Was folgte, war der Aufbau einer immer professionelleren parlamentarischen Struktur. Imperatives Mandat? Zu vergessen. Rotationsprinzip? Nicht einmal mehr eine Erwähnung wert. Die Grünen feierten zwar 1987 nach einem Jahr im Nationalrat mit einer Publikation, dass sie eine "Republik im Fieber" geschaffen hätten. Aber in Wahrheit waren sie schon damals auf dem Weg zu einer ganz normalen Partei, die ihren Platz im österreichischen Parteiensystem mit seiner repräsentativen Demokratie gefunden hat – eine Abstimmung unter den Mitgliedern, wie sie in der Frage des Bauprojekts am Heumarkt stattgefunden hat, ist da ein eher lästiger Störfaktor.

Die Abkehr von den endlosen Diskussionen mit Mitgliedern und so genannten (aber nie registrierten und gezählten) Sympathisanten machte die Grünen auch für jene wählbar, die der links-alternativen Basisdemokratie misstraut haben. Die sich einfach gut vertreten fühlen wollten, wenn sie eine Partei gewählt haben, die für Umweltschutz eingetreten ist. Denn Umweltschutz, das war das Megathema der 1980er-Jahre, es wirkte bis weit in die 1990er-Jahre hinein. Und die Grünen hatten eine Art Themenmonopol darauf.

Aber das ist eine Generation her. Mülltrennung, Müllvermeidung – eine Selbstverständlichkeit vom Kindergarten an. Der Schutz von "Bruder Baum" – ein Anliegen, das auf den Seiten der Kronen Zeitung breiter ausgewalzt wird als die Initiativen der Grünen dafür. Nachhaltigkeit – eine Selbstverständlichkeit ebenso wie Klimaschutz. In allen Parteien, in allen Parteiprogrammen verankert; wenn auch nicht in der politischen Praxis.

Und über die Jahre, über die Generationen hin das Gefühl: Da ist ohnehin eine Partei, die sich für diese Fragen verantwortlich fühlt. Die das schon regeln wird, auch wenn man ihr nicht die Stimme gibt.

Besser in Umfragen

Das war, das ist bis heute das Problem der Grünen: Man nimmt ihr verdienstvolles Engagement wahr. Aber es wird von vielen Wählern als so selbstverständlich empfunden, dass es nicht mit Stimmen bei der Wahl honoriert wird. Was sich dann auch in Umfragedaten niederschlägt: Die Grünen sind – mit Werten um die 15 Prozent – in Umfragen stets besser bewertet als an der nationalen Wahlurne. Erreichen sie diesen Wert nicht, wird es ihnen als Niederlage angekreidet. Überschreiten sie ihn (wie in vielen innerstädtischen Bezirken oder auch bei den Landtagswahlen in Salzburg und Vorarlberg), dann wird es von den Medien als Selbstverständlichkeit wahrgenommen und nicht als der große Erfolg, der es im internationalen Vergleich ist.

Natürlich ist das unfair. Und als unfair empfinden auch viele Grüne, dass sich ihr Engagement für die Wahl von Alexander Van der Bellen nicht in Sympathie (und laut Umfragen auch nicht in Stimmen) für die grüne Partei niederschlägt. Aber das gehört dazu – ebenso wie das Faktum, dass die Alleinstellung der Grünen längst nicht mehr im Umweltbereich, sondern bei den Menschenrechten liegt. Nicht lechts. Nicht rinks. Grün eben. (Conrad Seidl, 21.5.2017)