Wien – Was tun, wenn ältere Menschen im Alltag Unterstützung brauchen, allerdings nicht rund um die Uhr? Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) – und nicht nur er – sieht zwischen der 24-Stunden-Betreuung und dem Angebot mobiler Dienste (das sind etwa Hauskrankenpflege oder Essen auf Rädern) eine Lücke klaffen. Diese will der Minister mit der "Aktion 20.000" schließen.

Das Beschäftigungsprojekt sieht unter anderem vor, dass über 50-jährige Langzeitarbeitslose nach einer Schulung stundenweise Alltagstätigkeiten für Betreuungsbedürftige erledigen. Erste Pilotprojekte beginnen im Juli, ab Jänner 2018 soll die Aktion auf ganz Österreich ausgerollt werden. Es ist eines der Projekte, auf deren Umsetzung sich die scheidende rot-schwarze Koalition gerade noch geeinigt hat.

Antrag auf Weiterentwicklung

Die ÖVP Niederösterreich versucht derzeit aber, in Sachen Flexibilisierung der 24-Stunden-Betreuung noch ganz andere Ideen zu forcieren. Bereits vor zwei Monaten hat der Landtag in St. Pölten per Resolutionsantrag die Landesregierung dazu aufgefordert, "bei der Bundesregierung eine Weiterentwicklung der 24-Stunden-Betreuung zu erwirken, und zwar hinsichtlich ihrer Ausgestaltung, Förderung und Finanzierung".

Konkret forderte Anton Erber, Sozialsprecher der ÖVP Niederösterreich, Ende vergangener Woche, es solle "möglich werden, dass mehrere Pflegebedürftige die in räumlicher Nähe wohnen, dieselbe Betreuungskraft in Anspruch nehmen können". Dafür brauche es eine Änderung des Hausbetreuungsgesetzes. Der Bund möge weiters die Förderung nicht mehr pro Betreuungskraft, sondern pro zu betreuender Person auszahlen. Erbers Vorstoß wird von Bundesrats-Präsidentin Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP Tirol), die im April eine Enquete zur Zukunft der Pflege einberufen hatte, unterstützt.

Große Skepsis im Ministerium

Im Sozialministerium begegnet man all dem allerdings mit großer Skepsis. Die aktuell geltenden Bestimmungen seien wichtig, damit die Betreuerinnen – die meisten sind Frauen – ordnungsgemäß an einem Wohnsitz und bei der Sozialversicherung angemeldet werden. Das wirke Schwarzarbeit entgegen, und so wisse man auch, wer wo betreut – was für die Qualitätskontrolle wichtig sei. Außerdem befürchtet man, dass bei gleichzeitiger Inanspruchnahme von einer Betreuungskraft durch mehrere Personen die Qualität leiden würde.

Wer zahlt's?

Erbers Vorstoß sieht man im Sozialministerium eher als Versuch, Kosten an den Bund abzuwälzen: Betreute Wohnformen und mobile Dienste fallen in die Verantwortung der Länder, die Förderung von 24-Stunden-Betreuung erfolgt aber aus Bundesgeldern. Im Büro des Sozialministers weist man darauf hin, dass die Länder beim letzten Finanzausgleich mehr Geld für Pflege erhalten haben.

Derzeit prüft der Rechnungshof die 24-Stunden-Betreuung. Die Betreuungsform wurde in Österreich vor zehn Jahren auf legale Beine gestellt. Seit 2015 ist die Vermittlung von Betreuungskräften gewerberechtlich von der eigentlichen Personenbetreuung getrennt. Wenn der Prüfbericht vorliegt, will Stöger gegebenenfalls Anpassungen zur Verbesserung der Qualität vornehmen. Dass sich all das noch vor der Nationalratswahl im Herbst ausgeht, darf aber bezweifelt werden. (Gudrun Springer, 22.5.2017)