"Total uneitel", aber ein politisches "Gegengift" – so sieht sich die Tiroler Vize-Landeschefin gern.

Foto: Florian Lechner

STANDARD: Als langjährige Handballspielerin sind Sie es gewohnt, entsprechend lange auf ein Ziel hinzutrainieren. Die politische Ziellinie ist aber jetzt deutlich früher als erwartet gekommen. Hat Sie das irritiert?

Felipe: Ja, es kam überraschend. Aber man muss improvisieren können. Und das ist eine Kunst. Wenn ich mir die rasche und unkomplizierte Nachbesetzung anschaue, kann ich nur sagen: Das grüne Kunststück ist gelungen.

STANDARD: Bei der Regie hat man aber sehr eigenmächtig agiert – und die Warnungen der scheidenden Grünen-Chefin Eva Glawischnig vor einer Doppelspitze in den Wind geschossen. Warum?

Felipe: Um in der Sportsprache zu bleiben: Wir haben uns die Aufstellung angeschaut und haben festgestellt, dass zwei starke Frauen an der Spitze einer bunten Bewegung das beste Gegengift gegen diese One-Man-Shows der anderen Parteien sind. Ja, es ist ein mutiger Schritt – aber Österreich braucht zurzeit mutige Frauen.

STANDARD: Es gab aber parteiintern Stimmen, die Ihnen die Spitzenkandidatur einfach nicht zugetraut hätten: zu jung, zu unbekannt.

Felipe: So etwas trifft mich überhaupt nicht. Da bin ich total uneitel. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass nicht alle in den anderen Bundesländern meine Erfolge in Tirol kennen.

STANDARD: Klären Sie den unwissenden Rest von Österreich auf – was haben Sie auf der grünen Habenseite so verbucht?

Felipe: Wir haben etwa gemeinsam mit der ÖVP eine Tarifreform zusammengebracht. Ein Entlastungspaket für die Tiroler, die sich jetzt beim Jahres-Öffi-Ticket bis zu 1.000 Euro sparen können.

STANDARD: Kann man aber die Bundespartei von Tirol aus führen?

Felipe: Ja, davon bin ich ganz fest überzeugt. Die Zeiten haben sich geändert: Mit Telefon- und Videokonferenzen geht heute vieles sehr leicht. Und ich bin mit dem Zug in vier Stunden in Wien.

STANDARD: Wäre ein Wechsel nicht dennoch gut gewesen – eben um Ihren Bekanntheitsgrad zu steigern?

Felipe: Die Frage hat sich für mich nur sehr kurz gestellt. Ich habe gegenüber den Tirolern eine Verantwortung, die ich eingegangen bin. Und ich habe meiner Familie gegenüber eine Verantwortung. Und in der Politik ist es eben besonders wichtig, dass man sich seiner Verantwortung bewusst ist.

STANDARD: Eva Glawischnig ist mit einem deutlich hörbaren Frust – und auch körperlich sehr angeschlagen – zurückgetreten. Wie gesundheitsgefährdend ist der Job als grüne Bundeschefin?

Felipe: Es ist eine enorme Herausforderung, Spitzenpolitik in der derzeitigen Gesellschaft und medialen Welt zu betreiben. Es ist extrem belastend, weil viele Dinge sehr persönlich werden. Die Verantwortung, Politik für ein solidarisches Österreich zu machen, ist eben eine so große, dass wir Grüne sie jetzt auf mehrere Schultern verteilt haben.

STANDARD: Sie wurden gern auch als "Glawischnig light" bezeichnet. Ärgert Sie das?

Felipe: Nein. Weil ich mit diesen Vergleichen einfach nichts anfangen kann. Eva Glawischnig ist in vielen Bereichen ein Vorbild für mich. Sie hat gezeigt, wie man ruhig, besonnen und intelligent eine Partei führen kann.

STANDARD: Parteiintern wurde aber immer wieder Kritik über einen zu autoritären Führungsstil laut. Und auch beim Streit mit den jungen Grünen war von Besonnenheit wenig zu spüren.

Felipe: Natürlich sind Fehler passiert. Und aus diesen Fehlern müssen wir lernen. Etwa dass diese internen Diskussionen und Debatten nicht medial ausgetragen werden. Der maßgebliche Fehler war aber, dass wir uns zu wenig Zeit genommen haben, uns untereinander entsprechend auszutauschen. Ich werde jetzt bei den Grünen Tempo rausnehmen. Wir müssen uns wieder die Zeit nehmen, um offen und direkt miteinander zu kommunizieren.

STANDARD: In der Vergangenheit sind also doch Entscheidungen sehr autoritär gefallen?

Felipe: Das habe ich bitte so überhaupt nicht gesagt. Alle Entscheidungen wurden stets in legitimierten Gremien gefasst. Bei uns gibt es keine Beschlüsse im grünen Hinterzimmer.

STANDARD: Sie sollen ja angeblich über Wochen mit den Jungen Grünen intern verhandelt haben. Das war wohl nicht erfolgreich, oder?

Felipe: Ich habe mir vorgenommen, interne Konflikte nicht mehr öffentlich auszutragen. Und daher sage ich dazu auch nichts mehr.

STANDARD: SPÖ, ÖVP und FPÖ werden den Wahlkampf wohl dominieren, haben Sie nicht Sorge, dabei außen vor zu bleiben?

Felipe: Ich bin total zuversichtlich, dass wir für offene und tolerante Menschen einen Gegenentwurf zu dieser Verengungs- und Verdrängungspolitik der anderen Parteien – Abschottung von Europa, Entsolidarisierung – bauen können. Wir sagen nicht nur, dass wir anders sind – wir sind anders.

STANDARD: Faktum ist doch, dass die Grünen aktuell in politische Bedeutungslosigkeit abgerutscht und inhaltlich abgemeldet sind. Für Aufmerksamkeiten sorgten doch nur interne Streitereien, oder?

Felipe: Ich weiß nicht, welche Grünen Sie da beschreiben. Wir sind weder abgemeldet noch politisch bedeutungslos. Und das werden wir auch im Wahlkampf unter Beweis stellen.

STANDARD: Bislang wurde aber nur ein altbekanntes Thema aus dem grünen Hut gezaubert: Es gelte, die FPÖ in der Regierung verhindern.

Felipe: Eigentlich unglaublich. Wir haben jetzt ein langes Interview geführt und vieles thematisiert. Und am Schluss kommt der Vorwurf, es gehe nur gegen die FPÖ. Ulrike Lunacek ist als Person Programm: Sie repräsentiert Europa, Gleichstellung, steht für starke Frauen, für Menschenrechte. Und ja, die Rechten bedrohen all diese Werte. Man muss halt als Journalist genau hinschauen. (Markus Rohrhofer, 22.5.2017)