Wien – "Es gilt nicht mehr als Spinnerei. Das Bewusstsein für globale Zusammenhänge ist gestiegen." Nahezu zehn Jahre ist es her, dass Hartwig Kirner als Chef von Fairtrade antrat, um das Geschäft mit fair gehandelten Produkten in Österreich voranzutreiben. Die Umsätze damit haben sich seither auf 270 Millionen Euro verdoppelt.

Klar, Profit sei im Lebensmittelhandel nach wie vor oberste Devise, sagt Kirner. Mittlerweile aber seien Nachhaltigkeitsprogramme der Ketten keine reinen Lippenbekenntnisse mehr. "Die Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Thema ist gestiegen." Der Handel übe sich darin nicht nur mit den eigenen Labels, sondern fordere diese auch von Markenartiklern ein.

Schwung in den Markt brachten internationale Riesen wie Ferrero, die sich Tonnen an Fairtrade-Kakao sichern. Die Sorge vor versiegenden Lieferquellen ließ manchen Konzern die Arbeitsbedingungen in Anbauländern überdenken.

Ende des Dornröschenschlafs

Ein Jahrzehnt lang lag der faire Handel in Deutschland im Dornröschenschlaf, erzählt Kirner. Die Mengen, die dort mit Fairtrade abgesetzt wurden, überstiegen kaum den Absatz des kleinen Österreichs. Nun aber sei der deutsche Markt in die Gänge gekommen – wovon auch österreichische Exporteure fair gehandelter Produkte wie etwa Pfanner, Zotter, Manner und Vossen profitierten.

Ob Debatten über Brexit, Trump oder gerechte Einkommen: Konsumenten seien, was den globalen Handel betrifft, sensibilisiert, ist Kirner überzeugt. "In Krisen wird darüber nachgedacht, was schiefläuft. Und irgendwann landen dabei viele bei fairen Strukturen."

Fairtrade steigerte den Umsatz in Österreich 2016 um 46 Prozent. Kakaobohnen stachen mit einem Zuwachs von 80 Prozent auf 2.273 Tonnen hervor. Der Kreis der Abnehmer aus der Süßwarenindustrie hat sich rasant verbreitert. Um ein Fünftel nahm das Gewicht fair gehandelter Bananen zu. Zucker legte um 44 Prozent zu. In Summe flossen 39 Millionen Euro an Direkteinnahmen an Produzenten in Afrika, Asien und Lateinamerika. (vk, 22.5.2017)