Philosoph Slavoj Žižek: "Wer Marine Le Pen wählt, wählt Marine Le Pen jetzt. Wer Macron wählt, wählt Marine Le Pen in vier Jahren."

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Wien – Wenn aus dem fast unüberschaubaren Spektrum an Themen in Slavoj Žižeks Rede ein roter Faden zu erkennen war, dann vielleicht dieser: ein leicht fatalistischer Aufruf zur Anerkennung der düsteren Lage, in der wir uns befinden. Nahende ökologische Katastrophen, terroristische Bedrohung, geopolitische Konflikte – all dies erfordere ein "Neudenken", ein Ende vom "Traum einer Alternative".

Žižeks im Rahmen der Wiener Festwochen am Wochenende gepredigten Mut muss man bei manchen seiner Aussagen tatsächlich bewundern. Der marxistische Philosoph, der schon allein mit seinen hektischen Gesten das Publikum fesseln kann, ließ auch allerjüngste politische Ereignisse nicht außer Acht.

Philosophischer Tadel

Frankreichs neuen Präsidenten Emmanuel Macron bezeichnete er als einen Vertreter jener Politik, welche die Entstehung von Marine Le Pen & Co erst herbeiführt. Macron sei das "Establishment in seiner reinsten Form". Der Philosoph borgte sich dafür auch ein Zitat des Biografen von Michel Foucault, Didier Eribon: "Wer Marine Le Pen wählt, wählt Marine Le Pen jetzt. Wer Macron wählt, wählt Marine Le Pen in vier Jahren."

Auch zur Zeit der US-Wahl im vergangenen Herbst wurde Žižeks Unterstützung für Donald Trump heftig kritisiert und von manchen sicher auch missverstanden. "Mein Punkt damals war, dass nur ein nicht allzu gefährlicher Schock die amerikanische Linke hätte wachrütteln können," sagt er. Die Tragödie in den USA liege nicht so sehr in Donald Trump selbst, sondern in den katastrophalen Reaktionen der Demokratischen Partei auf dessen Wahl. Statt einer dynamischen Auseinandersetzung mit dem Trauma nach Trumps Sieg arbeite die Demokratische Partei jetzt an einer "radikalen Renormalisierung" des Präsidenten.

Linke als Instrument der Rechten

"Wenn man sich heute in der Politik weiter links positionieren möchte, wird man zum Instrument der Rechten degradiert," sagt Žižek. "Möglicherweise wird sich die Standardpolitik in Europa weiterhin so durchsetzten und wir werden sie weiterhin wählen, um der faschistischen Gefahr vorzubeugen."

Das sei jedoch nur ein und derselbe Teufelskreis, eine weitere Verschiebung des eigentlichen Problems. "Wenn es so weiterginge – zum Bespiel Macron versus Le Pen, und wieder Macron versus Le Pen, dann würde irgendwann Le Pen gewinnen. Wir brauchen aber dringend ein neues Feld," warnt Žižek.

"Mut der Verzweiflung"

In seinen politischen Aussagen spiegelt sich sein Ansatz des "Mut der Verzweiflung" wider, den er in seinem neu erschienenen Werk desselben Namens weiter ausführt: "Wahrer Mut besteht darin, zuzugeben, dass das Licht am Ende des Tunnels höchstwahrscheinlich die Scheinwerfer eines anderen Zuges sind, der uns entgegenkommt."

Der düsteren Zukunft sei jedoch nicht mit Resignation zu begegnen, appelliert Žižek, sondern mit radikalen Änderungen. Und die setzen zuallererst eine Anerkennung unserer Zwangslage voraus. (Anja Malenšek, 22.5.2017)