Ausgezeichnet als bester Roman: "Alle Vögel unter dem Himmel" der US-amerikanischen Autorin und Bloggerin Charlie Jane Anders.

Foto: Fischer Tor

Pittsburgh – Mit Denis Villeneuves "Arrival" hat der Verband der US-amerikanischen Science-Fiction- und Fantasyautoren (SFWA) einen der ungewöhnlicheren SF-Filme der vergangenen Jahre ausgezeichnet. Die Wahl zum besten Film 2016 fand im Rahmen der Verleihung der Nebula Awards auf dem SFWA-Jahrestreffen statt, das am Wochenende in Pittsburgh abgehalten wurde.

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Die Wechselwirkung von Sprache und Denken als Thema für einen ungewöhnlichen SF-Film: "Arrival".
Foto: AP/Jan Thijs/Paramount Pictures

"Arrival" beruht auf der Kurzgeschichte "Story of Your Life" von Ted Chiang, die im Jahr 2000 ebenfalls mit einem Nebula ausgezeichnet worden war. Hauptfigur ist eine Linguistin, die mit einer Alien-Sprache konfrontiert wird, welche nicht sequentiell aufgebaut ist: Anfang und Ende einer Aussage werden simultan übermittelt, weshalb die Aliens auch eine andere Wahrnehmung der Zeit haben. Dieses Denken beginnt sich einerseits auf die menschliche Linguistin zu übertragen und bestimmt andererseits die Struktur der Erzählung selbst. Villeneuve gelang es, Chiangs ungewöhnliches Konzept, etwas adaptiert, auf den Film zu übertragen. Und er landete damit trotz weitgehenden Verzichts auf Spezialeffekte einen großen Erfolg bei Kritik und Publikum.

Die geschlagene Konkurrenz war bunt gemischt: Dazu gehörten das "Star Wars"-Prequel "Rogue One" und der Marvel-Superheldenfilm "Doctor Strange" ebenso wie das mit dem Oscar für den besten Animationsfilm ausgezeichnete Disney-Produkt "Zoomania" und "Kubo – Der tapfere Samurai", ein weiterer Animationsfilm. Da für den offiziell Ray Bradbury Award bezeichneten Filmpreis nicht zwischen Lang- und Kurzformaten unterschieden wird, stand auch die Abschlussfolge der ersten Staffel der TV-Serie "Westworld" zur Wahl, "The Bicameral Mind" (auf Deutsch bislang nur im Pay-TV zu sehen).

Worte und Werke

Primär sind die Nebula Awards freilich Literaturpreise. In der Königsdisziplin "Bester Roman" wurde Charlie Jane Anders' "All the Birds in the Sky" ausgezeichnet, eine Coming-of-Age-Geschichte, die SF und Fantasy, Humor und Ernsthaftigkeit bunt vermischt. Vor Kurzem ist der Roman bei Fischer Tor auch auf Deutsch erschienen ("Alle Vögel unter dem Himmel").

Im Mittelpunkt stehen zwei gemobbte Jugendliche – sie eine Hexe, er ein Wissenschaftsnerd –, die in einen Konflikt um die Rettung der Menschheit vor dem drohenden ökologischen Kollaps hineingezogen werden. Anders hat in ihren allseits gelobten Roman eine Menge unterschiedlicher Aspekte hineingepackt, vielleicht etwas zu viel; die Grenze zwischen gut und gut gemeint verläuft in "Alle Vögel unter dem Himmel" fließend (eine ausführliche Besprechung finden Sie hier).

Von Anders' Konkurrenten kennen deutschsprachige Leser zumindest N.K. Jemisin über ihre bei Blanvalet verlegte "Inheritance"-Trilogie. Beim Nebula stand sie für "The Obelisk Gate", den zweiten Teil ihrer "Broken Earth"-Reihe, zur Wahl. Die drei anderen sind auf Deutsch noch völlig unbeschriebene Blätter: Yoon Ha Lee mit der militärisch geprägten Space Opera "Ninefox Gambit"; Nisi Shawl, die in der Alternativwelt-Utopie "Everfair" die Geschichte des Kolonialismus in Afrka umschreibt; und Mishell Baker mit "Borderline", in dem es um Kontakte zwischen der Film- und der Feenwelt geht.

Weitere Preise

David D. Levine erhielt den Preis für das beste Jugendbuch. Sein "Arabella of Mars" ist Steampunk im weiteren Sinne – und dennoch auch eine Art Space Opera. In seinem Szenario ist das Sonnensystem nämlich luftgefüllt, zwischen den Planeten kann daher buchstäblich umhergesegelt werden. Schon in zwei Monaten soll das zweite Abenteuer seiner Heldin Arabella Ashby auf den Markt kommen.

Als beste Novelle wurde Seanan McGuires "Every Heart a Doorway" ausgezeichnet, als beste Novellette William Ledbetters ‘‘The Long Fall Up’’ und als beste Kurzgeschichte ‘‘Seasons of Glass and Iron" von Amal El-Mohtar (hier gratis im Volltext zu lesen). Geehrt wurden zudem die langjährige Herausgeberin von Baen Books, Toni Weisskopf, und posthum die 2015 verstorbene Fan-Aktivistin Peggy Rae Sapienza.

Vielseitigkeit mit Einseitigkeit

Im vergangenen Jahrzehnt war Kritik an mangelnder Diversität bei den großen SF-Preisen aufgekommen. Nicht zuletzt beklagten manche einen angeblichen Rückschritt gegenüber früheren Jahrzehnten, was Preisvergaben an Frauen anbelangt. Dazu kam später noch eine (primär US-amerikanische) erbitterte weltanschauliche Kontroverse innerhalb der SF-Community, die ebenfalls Gender- und Ethnizitätsaspekte hatte.

Da überrascht es nicht wirklich, dass das Pendel nun stark in die andere Richtung ausgeschlagen hat. Nachdem die SFWA schon im vergangenen Jahr alle Preise an Frauen vergeben hatte (hier der Rückblick), war die Verleihung auch heuer wieder weiblich dominiert. Geradezu auffällig divers war die Ethnizität der Preisträgerinnen; durchaus bemerkenswert ist zudem der Umstand, dass sich zwei der fünf Nominierten in der Romankategorie – Charlie Jane Anders und Yoon Ha Lee – als Transgender identifizieren.

Weniger wichtig scheint der SFWA Diversität zu sein, was die Herkunft betrifft. Zwar sind es die Preise der "Science Fiction and Fantasy Writers of America", doch ist für einen Nebula jeder Titel nominierbar, der im vergangenen Jahr auf Englisch erschienen ist – ob im Original oder übersetzt. Der "Rest" der globalen SF- und Fantasyproduktion fiel jedoch unter den Tisch. Abgesehen von der Kanadierin Amal El-Mohtar in der Kategorie Kurzgeschichte wurden nur US-amerikanische Autoren ausgezeichnet. In der prestigeträchtigen Romankategorie stand nicht einmal jemand von außerhalb der USA zur Wahl.

Hugo aus Helsinki

Und einige der Genannten werden auch beim nächsten großen SF-Preis wieder auf dem Plan stehen: Sowohl Charlie Jane Anders als auch N. K. Jemisin und Yoon Ha Lee rittern auch um den Hugo Award, den von Fans auf der jährlichen SF-Worldcon vergebenen Publikumspreis. Die Verleihung wird am 12. August stattfinden – und kommt uns mit Helsinki als Veranstaltungsort so nahe wie nur selten. (jdo, 22. 5. 2017)