Christian Kern hob beim European Newspaper Congress im Wiener Rathaus zur Medien- und Politikschelte an.

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Wien – Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) kritisiert "eine Politik, die die Pointe sucht und Medien, die willfährig diese Pointe aufnehmen, um sie am nächsten Tag ins Blatt zu nehmen". Der Regierungschef hob beim European Newspaper Congress im Wiener Rathaus zur Medien- und Politikschelte an. Früher oder später werde man "vor dem Scherbenhaufen dieser Entwicklung" stehen, weil weder Medien noch Politik einlösen können, was sie versprechen, wenn sie "die Spirale des Populismus bedienen".

Das Spiel mit der Pointe habe Politiker konditioniert, das habe laut Kern eine Professionalisierung mit sich gebracht. Bei seiner Rückkehr in die Politik – Kern war in den 1990ern Pressesprecher des SPÖ-Parlamentsklubs – sei er überrascht gewesen, "wie allgegenwärtig das Spindoctoring geworden ist".

Die Forderung nach der Schließung der Mittelmeerroute, um die Migrationskrise zu bewältigen, brächte etwa "jede Aufmerksamkeit, die Sie sich wünschen". Bemüht man sich auf EU-Ebene um Abkommen mit dem Senegal, Mali und Niger, brächte das wenig Aufmerksamkeit, sagt Kern.

Algorithmen offenlegen

Eine weitere Spirale ortet der Bundeskanzler bei der "Monopolbildung" von "Facebook, Google und Youtube". Das sei "demokratiepolitisch auch entscheidend", denn man wisse seit Donald Trumps Wahlsieg nur zu gut, dass sie ein Werkzeug seien, "um Manipulation im großen Stil zu betreiben". Man werde nicht umhin kommen, von diesen Unternehmen zu verlangen, "dass diese Algorithmen auch tatsächlich offengelegt werden – bei allen Problemen, die das mit sich bringt". Hier sei Transparenz notwendig.

Österreichische Medien seien mit einer "unglaublichen Wettbewerbsverzerrung" konfrontiert, weil sie Steuern zahlen, während sich große Internetfirmen der Verantwortung entzögen. Das zu einer Zeit, wo ohnehin schon "der ökonomische Druck hier zu einer Ausdünnung geführt hat". Deshalb brauche es laut Kern bei der Reform der Presseförderung "neue Wege. Wir brauchen ein klares Bekenntnis dazu, Qualitätsjournalismus zu fördern". Das sei allerdings deshalb schwierig, weil die, die man fördern will, es wenig zu schätzen wüssten und die, die nicht davon profitieren, dagegen arbeiteten. (sefe, 22.5.2017)