Wenn uns die Zukunft unserer Lebensqualität am Herzen liegt, sollten wir den Blick von Großstädten weg in Richtung Kleinstädte lenken. Städte mit ein paar tausend Einwohnern sind weder aufregend noch chic, aber beliebt. Viele von ihnen wachsen beständig. Dies erfolgt weniger spektakulär als in der Großstadt, die Folgen sind es jedoch schon. Denn niemand scheint sich so richtig darum zu kümmern, wie diese Städte wachsen. Die Zentren sind leer oder mit fragwürdigen Geschäftsideen gefüllt, Bank und Post verschwinden, am Rand wachsen Einkaufszentren und neue Wohnbauten sind eintönig oder verkitscht. Da wundert es nicht, dass Einfamilienhäuser beliebt sind. Die Bodenpreise sind niedrig, die Förderung läuft und gute Alternativen fehlen.

Wie sollen kleine Städte zukünftig aussehen? Wer wird wie wohnen?
Foto: Lukas Ployer
Kein Wunder, dass Einfamilienhäuser so beliebt sind: Es fehlen die Alternativen.
Foto: Sabine Pollak

Die Zwischenstadt ist offen für Experimente

Im Umkreis von Wien (und anderen Landeshauptstädten Österreichs) gibt es etliche solcher kontinuierlich wachsender Kleinstädte – Wiener Neudorf, Mödling, Schwechat, Gänserndorf. Was wird dort zukünftig gebaut werden? Wer soll dort wie wohnen? Wie sollen die Stadtzentren aussehen? Die meisten dieser Städte liegen in typischen Zwischenstadträumen, weder Stadt noch Land, dispers, also zerstreut und von Verkehrswegen dominiert. Im Sinne ihres Erfinders, dem deutschen Stadtforscher Thomas Sieverts, sind Zwischenstadträume jedoch nicht nur dispers, sondern auch offen, interpretierbar, flexibel und ästhetisch unbestimmt. Sie sind in der Handhabe schwierig, bieten aber vielfältigere Zugänge als es traditionelle (Kern-)Städte erlauben. In Zwischenstadträumen herrscht eine angenehme Nicht-Ästhetik vor. Hier kann man experimentieren.

Verdichtung von Einfamilienhäusern, neue Mobilitäten.
Foto: Kunstuniversität Linz
Wer kümmert sich um die kleinen Städte?
Foto: Kunstuniversität Linz
Flexible Märkte und angenehme Nicht-Ästhetik in der Zwischenstadt.
Foto: Miriam Pollak

Für Kleinstädte braucht es mutige Konzepte

Städtebau, Raum- und Regionalplanung haben es nicht leicht, wenn es um Kleinstädte geht. Die meisten Entscheidungen sind hier politisch motiviert (ein Einfamilienhaus = zwei bis vier Wählerstimmen). Was meiner Meinung nach fehlt, sind Planungsmittel, die der Spontanität und Nicht-Ästhetik der Zwischenstadt entsprechen. Partizipation ist immer gut, partiell gibt es sie schon, sie benötigt jedoch willige Bürgermeister und aktive Bürger. Ungewöhnliche Programme sind vonnöten wie der Supermarkt am Dorfplatz statt am Rand wie etwa in Lustenau. Vor allem jedoch braucht es neue, urbane Wohnformen für das Land, solche, die richtig gut sind und genügend Freiraum aufweisen. Dazu braucht es richtig gute Bauträger und Projektentwickler. Wo sind die? Wir Architekten sind bereit! (Sabine Pollak, 30.5.2017)

Learning von Gänserndorf, die Sensationen zwischen einer Groß- und einer Kleinstadt.
Bild: Miriam Pollak

Ausstellungstipp: Am Donnerstag, den 1. Juni 2017, eröffnet um 19 Uhr im Rathaus Gänserndorf die Ausstellung "Learning von Gänserndorf", ein Projekt der Abteilung Architektur und Urbanistik der Kunstuniversität Linz, geleitet von Sabine Pollak und Lars Moritz, gefördert durch die Niederösterreichische Wohnbauforschung. Zur Ausstellung erschien ein Buch im Sonderzahl Verlag.

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