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Während der warmen Jahreszeit sind Mauersegler in fast ganz Europa verbreitet. Besonders in Städten fühlen sie sich wohl, vor allem wenn genügend Nistplätze vorhanden sind. Nur eines mögen die Mauersegler gar nicht: landen.

Foto: Picturedesk / Mathias Schaef

Lund/Wien – Im Sommer sind sie Anders Hedenströms Nachbarn. Das Ökologiegebäude der Universität Lund wurde speziell darauf ausgerichtet, die Vögel zu beherbergen, erzählt der Wissenschafter. 146 Nistkästen sind es inzwischen. Um die ersten Bewohner anzulocken, spielten die Forscher Bandaufnahmen der typischen Rufe ab.

Das Warten dauerte nicht lange. Seitdem treffen jedes Jahr Anfang Mai zahlreiche Mauersegler auf dem Campus der südschwedischen Hochschule ein. Zum Brüten. Knapp drei Monate lang hallen dann ihre schrillen Schreie über das Gelände, und jeder kann die atemberaubende Luftakrobatik bewundern. Spätestens im August verschwinden sie wieder, ebenso plötzlich, wie sie gekommen sind. Ab in den Süden.

Weit verbreitet

Mauersegler kommen während der warmen Jahreszeit fast überall in Europa vor. Gerade in Städten fühlen sich die blitzschnellen Flieger wohl – vorausgesetzt natürlich, sie finden dort genügend Nistplätze. Die auf den zoologischen Namen Apus apus getauften Vögel sind diesbezüglich allerdings nicht sehr wählerisch.

Eine simple Nische hinter der Dachrinne reicht oft schon aus. Umso spezieller ist dafür die Beschaffung des Nistmaterials. Die Tiere sammeln nicht etwa Zweige oder Halme auf Grünflächen ein, sondern holen sich das, was vom Wind herumgeblasen wird: Federn, Fasern und Blätter. Solches lässt sich im Flug aufschnappen, ohne landen zu müssen. Bodenkontakt mögen Mauersegler gar nicht gern.

Perfekte Anpassung

Kaum eine Vogelspezies ist so perfekt an ein Leben in der Luft angepasst wie diese. Sie ernährt sich ausschließlich von fliegenden Insekten. Dank seiner großen, dunklen Augen kann Apus apus winzige herumdriftende Blattläuse im Eiltempo erspähen und fassen. Mit Höchstgeschwindigkeiten von circa 80 km/h in der Horizontale und mehr als 200 km/h im Sturzflug ist er den Wanderfalken ohne weiteres ebenbürtig.

Dass Mauersegler nur selten den Luftraum verlassen, ist aufmerksamen Beobachtern schon vor langer Zeit aufgefallen. Sogar die Nacht verbringen sie meist schwebend. Fachleuten zufolge könnten die Vögel außerhalb der Brutzeit fast gänzlich auf Landungen verzichten – eine Vermutung, die Anders Hedenström und seine Kollegen neulich bestätigt haben.

Einblick in den Vogelalltag

Die schwedischen Biologen fingen ein paar Dutzend Mauersegler ein und statteten sie mit speziellen Datenloggern aus. Die winzigen Apparate sollten nicht nur das Tageslicht erfassen, sondern auch die Beschleunigung ihrer Träger registrieren. Letztere wird über drei verschiedene Achsen gemessen, erklärt Hedenström. Dadurch bekomme man einen detaillierten Einblick in das Flugverhalten.

Ein schneller Flügelschlag zum Beispiel resultiert hauptsächlich in einer horizontalen Beschleunigung, hebt den Vogelkörper aber auch stoßweise in der Vertikale empor. Beim Gleitflug fehlt diese Bewegungskomponente. Solche Unterschiede werden von den elektronischen Überwachungschips aufgezeichnet. Die Lichtmessungen indes dienen zur Ortsbestimmung. Aus den Zeitpunkten von Sonnenaufgang und -untergang lässt sich die geografische Position der Tiere an einem bestimmten Datum ermitteln.

Zu 99 Prozent in der Luft

Bei insgesamt 16 der markierten Vögel konnten die Forscher nach dem Winterzug funktionsfähige Logger abnehmen. Einer der Mauersegler trug das Gerät sogar zweimal in den Süden. Die Datenauswertungen zeigen ein klares Bild: Außerhalb der eigentlichen Brutperiode landen Mauersegler nur sehr selten. Über 99 Prozent der Zeit wird geflogen, und das praktisch zehn Monate lang (vgl.: Current Biology, Bd. 26, S. 3066).

Nur in Einzelfällen blieben die Gefiederten ein paar Stunden oder eine Nacht im Ruhezustand. Wahrscheinlich hingen sie dabei in Bäumen und waren durch einen plötzlichen Schlechtwettereinbruch zur Landung gezwungen worden, sagt Anders Hedenström. Den Aufzeichnungen nach verbringen die südschwedischen Mauersegler den Winter entweder im westafrikanischen Luftraum, vor allem über Liberia oder über dem Kongobecken. Beide Regionen sind von tropischem Regenwald geprägt und bieten den Flugkünstlern vermutlich ein enormes Insektenangebot.

Besonders lebhaft flattern die Vögel offenbar in der Morgen- und Abenddämmerung herum. Sie steigen in größere Höhen auf – ein Verhalten, welches Apus apus auch im sommerlichen Europa täglich zeigt. Die Hintergründe dieser Aktivität sind noch nicht eindeutig geklärt. Manche Experten glauben, solche Aufwärtsflüge dienen der optischen Orientierung und der Wetterbeobachtung.

Im Flug schlafen

Die Nacht verbringen Mauersegler allerdings auch in bis zu 2500 Metern über der Erdoberfläche. Das dürfte der Erholung dienen, meint Hedenström. Aus größeren Höhen dauern Gleitflüge eben länger, und die Tiere könnten währenddessen schlafen. Mit den niedrigen Temperaturen dort oben hätten sie wohl keine Probleme, wie der Biologe erläutert. "Fliegen braucht eine Menge Thermoregulation." Die starke Muskelaktivität produziert so viel Wärme, dass meist Kühlung vonnöten sei. Deshalb würden die nächtlichen Höhenflüge keine Extrakosten im Energiebudget der Vögel verursachen.

Wie es Apus apus jedoch schafft, seinen Schlafbedarf im Flug zu decken, lässt die Wissenschafter noch rätseln. Möglicherweise nickt jeweils nur eine Hirnhälfte ein, während die gegenüberliegende Seite den Minimalbetrieb aufrechterhält. Ein solcher Schlafmodus ist von Delfinen bekannt und wurde unlängst auch bei Fregattenvögeln (Fregata minor) mittels Hirnstrommessungen nachgewiesen (vgl.: Nature Communications, Bd. 7, Artikel-Nr. 12468). Anders Hedenström möchte solche Tests möglichst bald mit freifliegenden Mauerseglern durchführen. Dafür brauche es aber noch ein paar technische Fortschritte, betont der Wissenschafter. Die EEG-Geräte müssen weiter miniaturisiert werden. (Kurt de Swaaf, 26.5.2017)