Einer der Entwickler des chirurgischen Simulators der Fachhochschule Oberösterreich zeigt die Funktionsweise des Geräts: Durch Sensoren löst dabei Augmented Reality das Röntgenbild ab.

Foto: FH Oberösterreich

Linz – Weltweit werden für die medizinische Aus- und Weiterbildung mehr und mehr Simulatoren eingesetzt, an denen Mediziner ihre ersten Operationen nicht am Menschen, Human- oder Tierpräparaten, sondern an sogenannten Patientenphantomen üben können. Federführend in der Simulatorentwicklung sind die USA, vor allem im Bereich von Notfall- situationen oder laparoskopischen Eingriffen, bei denen durch kleine Öffnungen Instrumente und Videokamera in den Körper eingeführt werden.

An der Fachhochschule Oberösterreich hat man nun einen hybriden Simulator entwickelt, der eine Lücke in der Simulationstechnik schließen soll. An dem von der Research Group for Surgical Simulators Linz (kurz ReSSL) entwickelten Hybridmodell können Auszubildende ganz bestimmte neurologische und orthopädische OP-Techniken und -Fertigkeiten an der Wirbelsäule erproben. Man darf sich das Linzer Patientenphantom jedoch nicht als 1:1-Abbild eines Menschen vorstellen.

Haptik und Simulation

Im Prinzip ist es ein "Patientenrücken mit Wirbelsäule". Dafür packten die Medizintechniker in ihr hybrides Modell alle Erfahrungen, die haptische und computerbasierte Simulationssysteme bieten können. Künstliche Knochen und Weichteile wurden so entwickelt, dass sie in der Haptik einem Menschen aus Fleisch und Blut so gut wie möglich nachempfunden sind. Dafür hat man die künstlichen Knochen am biomechanischen Institut der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in Murnau, Bayern, mit echten Menschenknochen verglichen.

"Die Haptik ist ein besonders wichtiger Faktor", sagt Projektleiter Andreas Schrempf. "Denn viele Eingriffe werden ohne bildgebende Verfahren, sozusagen blind durchgeführt." Injiziert ein Anästhesist beispielsweise bei der sogenannten Epiduralanästhesie ein Betäubungsmittel in einen kleinen Zwischenraum vor dem Rückenmark, dem sogenannten Epiduralraum, so orientiert er sich parallel zu seinen anatomischen Kenntnissen auch am Widerstand der Nadel.

Schäume für Knister-Effekt

Durchsticht er dabei mit der Injektionsnadel das "gelbe Band", welches das Rückenmark schützt, so ist das mit einem Eindruck verbunden, den die Mediziner als "Crispy" beschreiben: Der Widerstand des Gewebes gibt beim Durchstechen knisternd nach, als würde man ganz vorsichtig auf Frühstückszerealien beißen. Für die Linzer Medizintechniker besteht nun die Herausforderung, genau diese Haptik mit künstlichen Materialien im Patientenphantom nachzubauen. "Wir arbeiten dabei mit Kunststoffen und speziell entwickelten Schäumen", sagt Schrempf. Der zweite große Vorteil des hybriden Simulators ist die Integration von chirurgischen Instrumenten und simulierten, bildgebenden Verfahren. Wird beispielsweise eine Wirbelsäulenoperation simuliert, so kann, weil sowohl Instrumente als auch Patientenphantom mit Sensoren ausgerüstet sind, der exakte Ort des Instrumentes im Körper als Echtzeitbild darstellt werden – Augmented Reality löst dabei das Röntgenbild ab.

Der dritte große Vorteil, auf den die Linzer Medizintechniker bei ihrer Neuentwicklung besonders stolz sind: "Es können nicht nur echte Instrumente, sondern auch echte Implantate in der OP-Simulation eingesetzt werden", sagt Schrempf. Muss ein Wirbelkörper, der etwa durch Osteoporose zusammengebrochen ist, mit Knochenzement wieder aufgebaut werden, so kann auch dieser Teil der Operation am Patientenphantom trainiert werden.

Die Wirbelteile, die man selbst mit Guss- und anderen Prototyping-Verfahren herstellt, werden dann ausgetauscht. "Der Kostenfaktor ist dabei nicht sehr hoch", sagt Schrempf. "Ein Wirbelkörper kommt in der Herstellung derzeit auf rund 30 bis 40 Euro."

Rasche Amortisation

Simulatoren kosten insgesamt zwar mehr als OP-Kurse an Human- oder Tierpräparaten. Bei entsprechender Auslastung hat sich die Investition jedoch in kurzer Zeit amortisiert, sagt Schrempf. So sei bei einem OP-Kurs mit zwölf Ärzten, wie sie routinemäßig von Medizinproduktfirmen durchgeführt werden, mit Kosten von rund 5000 Euro zu rechnen. "Der logistische Aufwand ist bei diesen Kursen aber sehr groß, beim Einsatz eines Simulators entfallen sie hingegen."

Eingesetzt werden soll das neue Hybridpatientenmodell für die Ausbildung an der neu gegründeten Kepler-Universitätsklinik in Linz. Dabei werde man viele OP-Techniken abdecken können, die mit "Nadel-Insertionen" und Knochenimplantaten zu tun haben (Norbert Regitnig-Tillian, 27.5.2017)